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Geködert

Geködert

Titel: Geködert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Len Deighton
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vergessen, dass sie kürzlich den wöchentlichen Besuch bei ihren Eltern auf den Freitag verlegt hatte. Wahrscheinlich hatte sie nie auch nur entfernt daran gedacht, Cindy und mir bei unserem kleinen Treffen in der Stadt Gesellschaft zu leisten. Gloria wusste, dass sie sich auf mich verlassen konnte. Ich vergaß immer, an welchen Abenden sie nicht zu Hause war.
    Ich öffnete eine Büchse Sardinen und entkorkte eine Flasche weißen Burgunder. Dann schob ich Citizen Kane in das Video und setzte mich vor den Bildschirm, das Tablett mit meinem Abendbrot auf den Knien. Aber die ganze Zeit dachte ich nur

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    an Bret Rensselaers Zorn, Jim Prettymans Ermordung, Dodos Hetzereien und Cindy Matthews plötzlichen Sinneswandel.
    Als Gloria nach Hause kam, lag ich schon im Bett. Dass sie spät kam, wunderte mich nicht. Ich nahm an, es habe irgendwas mit der »Krise« zu tun, die nach Meinung ihrer Mutter die Ehe ihrer Eltern gefährdete.
    Aber wie sich nun diese Krise neuerdings auch entwickelt haben mochte, Gloria kam jedenfalls bester Laune, ja aufgekratzt nach Hause. Ich merkte das schon, ehe sie ins Haus trat. Ihr alter gelber Mini passte gerade in die Lücke zwischen der Küche und dem Gartenzaun, an dem sich die gehätschelte Glyzinie unseres Nachbarn hochrankte. Der Platz war so eng, dass der Fahrer sich aus der Tür auf der Beifahrerseite ins Freie winden musste. Dieses riskante Parkmanöver traute sich Gloria nicht jedesmal zu, aber in dieser Nacht hörte ich sie über den Bordstein rumpeln und mit unverminderter Geschwindigkeit auf den Gartenweg fahren, dann mit quietschenden Bremsen halten. Ehe sie den Zündschlüssel abzog, gab sie im Leerlauf dem Gaspedal noch einen zufriedenen kleinen Tritt. Ich konnte mir ihr triumphierendes Lächeln richtig vorstellen.
    »Hallo, Liebster«, sagte sie, auf Zehenspitzen ins Schlafzimmer kommend, eine Plastiktüte in der Hand, die, wie ich wusste, von ihrer Mutter gebackenen ungarischen Walnußkuchen, eine Schüssel hausgemachten Liptoi-Käse, saure Gurken und anderen Proviant enthielt, mit dem sie, seitdem sie von zu Hause ausgezogen war, nach Meinung ihrer Familie regelmäßig versorgt werden musste.
    »Wie war Mrs. Prettyman?«
    »Plötzlich sehr wortkarg.«
    Gloria sah mich an und versuchte, meinen Gesichtsausdruck zu lesen. »Hat jemand ihr die Pistole auf die Brust gesetzt?«
    Ich lachte. »Ja, eine vergoldete. Man hat ihr aus heiterem Himmel einen ruhigen Job bei den Straßburger Bürokraten

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    angeboten, einen Haufen Geld, wenig oder keine Steuern, Gott weiß was sonst noch.«
    »Du glaubst doch nicht …«
    »Ich weiß nicht.«
    »Ich möchte sie nicht bestechen«, sagte Gloria.
    »Weil sie mehr verlangen würde, als du zu bieten hast?«
    »Nein, das meine ich nicht. Ich halte es für riskant. Sie wäre imstande, alles aufzuschreiben und in die Zeitung zu bringen.«
    »Es ist doch nur ein angenehmer Job in Straßburg«, sagte ich. »Nicht einmal die Reporter der Boulevardzeitungen könnten daraus einen Bestechungsversuch machen, es sei denn, Cindy erklärt sich selbst als völlig inkompetent, so dass das Angebot unglaubwürdig wirkt.«
    »Vermutlich.« Sie legte die Tüte mit den ungarischen Spezialitäten auf die Frisierkommode und fing an, sich auszuziehen.
    »Was ist?« fragte ich, denn ich erkannte ihr
    selbstzufriedenes Grinsen. So pflegte sie zu grinsen, wenn ich irgendeinen geistesabwesenden Fehltritt begangen hatte, wie zum Beispiel die Katze in die Besenkammer einzusperren oder das für den Milchmann an der Haustür bereitgelegte Geld in die Tasche zu stecken.
    »Nichts«, sagte sie, doch der Eifer, mit dem sie sich auszog und ihre Sachen im Zimmer verstreute, verriet mir, dass sie darauf brannte, mir was Lustiges zu erzählen. Ich dachte, es ginge vielleicht um ihre Eltern oder den unsäglichen Dodo, dem man für die Zeit seines Aufenthalts in England jetzt ein bequemes kleines Haus bei Kensington on Thames, für das er keine Miete zu bezahlen brauchte, überlassen hatte.
    »Diese Bank«, sagte sie, als sie unter die Decke kroch und sich an mich schmiegte. »Rate mal, wem diese Bank gehört?«
    »Bank? Meinst du Schneider, von Schild …«

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    »Und Weber«, ergänzte sie, noch immer grinsend bei dem Gedanken an den bevorstehenden Spaß. »Genau diese, Liebling. Rate mal, wem sie gehört?«
    »Nicht den Herren Schneider, von Schild und Weber?«
    »Deinem geliebten Bret Rensselaer gehört sie.«
    »Was?«
    »Ich wusste, das würde dich

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