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Geködert

Geködert

Titel: Geködert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Len Deighton
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der man geradeaus ins Herz von Ost-Berlin sehen kann. Ich bezahlte das Taxi und erkundigte mich umständlich bei dem amerikanischen Soldaten in der nun schon seit vierzig Jahren behelfsmäßig aufgestellten Wachbaracke, zu welcher Zeit der Grenzübergang geschlossen würde. Durchgehend geöffnet sei der Checkpoint Charlie, bekam ich zur Antwort, Tag und Nacht! Er würde sich später bestimmt an mich erinnern. Wenn ich für die britische Militärpolizei eine Spur hinterlassen wollte, musste ich dafür sorgen, dass sie deutlich war. Das Department würde zwar auf meine Finten nicht hereinfallen, aber ehe die sich der Sache annahmen, konnte noch einige Zeit vergehen. Es war Freitag abend. Und so musste Dicky Cruyer irgendwo aufgetrieben werden, wo Jagd

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    und Fischfang ausgezeichnet, die Telefonverbindungen aber miserabel waren.
    Auf der Westseite lungerten am Checkpoint Charlie nur ein paar westalliierte Soldaten herum, aber jenseits der Mauer wimmelte es von Bewaffneten, deren Uniformen an diejenigen der einstigen Deutschen Wehrmacht erinnerten. Ich gab meinen Pass einem mürrischen Grenzposten, der ihn einem Vorgesetzten reichte, welcher ihn durch einen Spalt in eine den Blicken der Reisenden verborgene Kammer schob. Dort wurde das Dokument mit Sicherheit fotografiert und auf etwaige geheime Markierungen untersucht. Diese besitzergreifende Haltung gegenüber Ausweispapieren ist typisch für Bürokraten. Ich glaube, Grenzkontrollbeamte betrachten Pässe und Dokumente als Botschaften von anderen Bürokraten in anderen Ländern. Die Inhaber dieser Papiere sind nur die unwürdigen Überbringer.
    Ich tauschte den vorgeschriebenen Betrag Westgeld zum amtlichen Wechselkurs in Ostgeld um, was jedesmal ein schlechtes Geschäft war. Wachhabende gingen auf und ab.
    Touristen standen Schlange. Spiegel auf Rädern wurden unter die Autobusse und Privatwagen gerollt, die den Schlagbaum passierten. Ein neuer glänzender schwarzer Mercedes mit dem Stander einer entlegenen und verarmten afrikanischen Nation stand an einer Schranke hinter einem Jeep der U.S. Army, der das Recht der Siegermächte, in beiden Teilen der Stadt zu patrouillieren, demonstrierte. Die DDR-Wachen waren immer langsam. Alles brauchte seine Zeit. Insbesondere hier. Es sollte mich nicht wundern, wenn Ostberlin noch orthodoxen Marxismus-Leninismus praktizieren würde, lange nachdem überall sonst die Illusionen dieser Ideologie schon auf dem von Marxisten so gern beschworenen Abfallhaufen der Geschichte zur letzten Ruhe gebettet sind. Die Deutschen sind ja auch ihrem Kaiser und dann ihrem Führer länger treu gewesen, als es gut für sie war.

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    Vom Checkpoint Charlie ist es, auf der Friedrichstraße nach Norden, nicht weit zum Bahnhof Friedrichstraße. Dort verkehren nebeneinander die Fernzüge zwischen Paris und Warschau und die S-Bahn-Züge zwischen West-Berlin und Ost-Berlin. Während ich die Friedrichstraße entlangging –
    vorbei an den geschwärzten, seit dem Krieg noch nicht restaurierten und angeblich im Besitz irgendwelcher mysteriöser Schweizer Firmen stehenden Häusern, Firmen, mit denen es sich nicht einmal die DDR verderben wollte –, fiel mir dummerweise zu spät ein, dass man selbst für diese Strecke ein Taxi nehmen sollte, wenn man es eilig hat.
    An der S-Bahn-Station Friedrichstraße erwartete mich eine weitere Demonstration der weder Mühe noch Kosten scheuenden Sorgfalt, mit der der erste Arbeiter-und-Bauern-Staat auf deutschem Boden über seine Grenzen wachte. Bei der Ausreise wurde natürlich noch sorgfältiger kontrolliert als bei der Einreise, und es dauerte eine kleine Ewigkeit, bis man mich passieren ließ.
    Endlich stand ich oben auf dem windigen Bahnsteig und stieg in den klapprigen, funzelig beleuchteten Zug – vielleicht derselbe Zug, der auf dieser Strecke schon zur Olympiade des Jahres 1936 gefahren war. Ich saß allein im Abteil. Innerhalb weniger Minuten rollte der Zug über die Staatsgrenze der DDR
    wieder nach West-Berlin zurück. Am Alexanderufer hatte man eine eindrucksvolle Aussicht auf den »antifaschistischen Schutzwall«, hier mit spanischen Reitern und anderen Schikanen besonders eindrucksvoll ausgestattet, vielleicht zur Abschreckung.
    Am Bahnhof Zoo stieg ich aus und wartete auf den Zug nach Wannsee, der am Bahnhof Grunewald hält. Mit der Bahn war ich schneller als mit dem Taxi, das um diese Zeit im dichten Verkehr auf dem Ku’damm steckenbleiben würde. Zu Franks Haus ging ich zu Fuß. Ich näherte

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