Geködert
hast das Richtige getan, Bernie. Ganz bestimmt. Schlag dir die Geschichte jetzt aus dem Kopf, und hör auf, darüber zu brüten.«
Ich sah zu dem großen Karton hinüber. »Was hast du denn da in London gekauft, für das ich nicht würdig genug bin?« Er lächelte. »Wir hatten das Gefühl, dass wir dich nicht dauernd für Botendienste einspannen können.«
»So wie es gegenwärtig läuft, komme ich jede Woche einmal nach Berlin. Ich kann dir alles mitbringen, was du brauchst.«
»Ingrid will das Hotel anders einrichten, es soll intimer werden. Sie liebt englische Stoffe, englisches Porzellan, die kleinen Blümchenmuster, weißt du. Sie findet, das Hotel sieht zu ungastlich aus, zu klinisch.«
»Es ist ein Berliner Hotel. Es sieht deutsch aus.«
»Die Zeiten ändern sich, Bernie.«
»Ich dachte, Lisl hätte dir gesagt, ihre Schwester hätte keine Kinder«, sagte ich. »Was hat sie gesagt, als Ingrid auftauchte?«
Er nickte, und dann sagte er: »Lisl wusste von Ingrid, aber Ingrid ist illegitim. Sie hat keinerlei Erbanspruch auf das Hotel.«
»Bist du in Ingrid verliebt?«
»Ich? Verliebt in Ingrid?«
»Keine Ausreden, Werner. Dafür kennen wir einander zu gut.«
»Ja, ich liebe Ingrid.« Werner klang beinahe ängstlich, als er das sagte.
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»Weiß Zena davon?« fragte ich.
»Zena wird keinen Ärger machen«, antwortete Werner bestimmt. »Ich gebe ihr einfach eine Menge Geld, dann ist sie schon zufrieden.«
Ich sagte nichts. Er hatte natürlich recht. Dem vernichtenden Nachruf auf seine Ehe mit Zena konnte man nicht widersprechen.
»Zena ist in München. Ich hoffe, dass ihr da jemand über den Weg läuft …« Werner sah mich an und lächelte. »Ja, Ingrid und ich … Wir sind glücklich zusammen. Natürlich braucht alles seine Zeit …«
»Ich finde das wunderbar.«
»Du hast Zena nie gemocht, ich weiß.«
»Ingrid ist eine anziehende Frau, Werner.«
»Magst du sie?«
»Ja, ich mag sie.«
»Sie war nie verheiratet. Vielleicht wird’s ihr schwerfallen, sich in ihrem Alter noch an die Ehe zu gewöhnen.«
»Ihr seid doch beide noch jung, Werner, was zum Teufel
…«
»Das sagt Ingrid auch«, warf Werner ein.
»Gatwick Airport«, sagte die Stimme des Zugführers über die Lautsprecher. Der Zug verlangsamte die Fahrt. »Danke, Bernie«, sagte Werner. »Du hast mir geholfen.«
»War mir ein Vergnügen, Werner.«
Das Flugzeug startete planmäßig. Wir flogen mit einer kleinen Gesellschaft, Dan-Air, die Stewardessen lächelten, und es wurde echter Kaffee serviert. Über der Wolkendecke leuchtete die Sonne. Obwohl der Zug fast leer gewesen war, war das Flugzeug bis auf den letzten Platz besetzt. Ich fragte Werner nach den Fortschritten in Lisls Hotel und bekam einen langen, enthusiastischen Bericht über seine Pläne und die harte Arbeit zu hören. Werner war nicht so eitel, Ingrids Beitrag zu verschweigen. Im Gegenteil, er lobte sie über den grünen Klee.
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Manchmal schien er mir dabei ein bisschen zu übertreiben, aber ich hörte geduldig zu und gab an den passenden Stellen die richtigen Geräusche von mir. Werner war verliebt, und Verliebte fallen nur denen, die in sie verliebt sind, nicht auf die Nerven.
Ich warf einen Blick aus dem Fenster auf die jetzt sichtbare Landschaft unter uns. Deutschland. Das war unverkennbar. Es mag sein, dass die Europäer sich immer ähnlicher werden in der Wahl ihrer Autos, ihrer Kleider, ihrer Fernsehprogramme und ihrer Fertigmahlzeiten, aber unsere Landschaften verraten, wie wir wirklich sind. Die Bundesrepublik Deutschland ist nirgends mehr ländlich. Die deutsche Landschaft ist überall aufgeräumt, rechtwinklig eingeteilt und bebaut, so dass die Kühe ihren Lebensraum mit Mietshäusern teilen und die Bäume des deutschen Waldes überall den Vergleich mit Fabrikschornsteinen aushalten müssen. Den Städten wird ein gewisses Maß an Begrünung zugeteilt, damit die hässlichen Einkaufszentren nicht so auffallen, aber der Jäger muss sein Wild zwischen den Parkplätzen und Swimmingpools endlos sich erstreckender Vorstädte anpirschen.
Hat man jedoch einmal die Grenze nach Osten passiert, wird die Landschaft einsam und friedlich. In der Deutschen Demokratischen Republik ist das Land noch ländlich, man sieht nicht so viele Autos und Neubauten. Hier sind die Bauernhäuser alt und malerisch, und auf den Äckern werden statt Traktoren oft noch Pferde eingesetzt.
Es war ein wunderschöner Abend, an dem wir da in Berlin (West) landeten, auf dieser
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