Geködert
Lautsprechern. Er trug einen gelben Pullover und einen Seidenschal mit Paisley-Muster um den Hals, dessen Enden in den offenen Hemdkragen gesteckt waren. Er hätte eine Rolle in einer von Noel Cowards Gesellschaftskomödien spielen können, nur die große gebogene Tabakpfeife in seiner Faust und die stinkenden Rauchwolken, die mich zum Husten reizten, passten nicht dazu. Er saß über eine Schallplatte gebeugt und entzifferte die kleine Schrift auf dem Label. Ich wartete, bis er aufblickte.
»Hallo, Frank«, sagte ich so beiläufig, wie ich konnte.
»Hallo, Bernard«, sagte Frank und hob warnend die Pfeife.
»Hör dir Ben Webster an.«
Anhören. Was hätte ich sonst tun sollen? Das
Tenorsaxophonsolo ging mir durch den Schädel wie ein Elektrobohrer. Doch als endlich der unsterbliche Webster fertig war, drehte Frank den Ton leiser, bis er nur noch laut war.
»Whisky, Bernard?« fragte er. Er goß mir bereits einen ein.
»Danke«, sagte ich dankbar.
»Du bist mir immer willkommen, Bernard. Aber ich wünschte, du würdest einfach an die Haustür klopfen wie andere Besucher auch.«
Wenn Frank wusste, dass es einen Haftbefehl gegen mich gab, dann war er jedenfalls ganz schön gelassen. »Warum?«
fragte ich und trank einen Schluck Whisky. Laphroaig. Frank wusste, dass ich den besonders gern trank.
- 353 -
»Damit du mir den Teppich nicht so versaust«, sagte Frank mit einem flüchtigen Lächeln, das seinen Vorwurf wieder zurücknehmen sollte.
Ich sah mir den Teppich an. Mein nasser Schuh hatte Spuren hinterlassen. Man konnte ihnen bis zur Tür folgen, und höchstwahrscheinlich durchs ganze Haus. »Tut mir leid, Frank.«
»Warum musst du eigentlich jeden Gaul vom Schwanz her aufzäumen, Bernard? Damit machst du deinen Freunden das Leben verdammt schwer.« Frank hatte seine Vaterrolle immer ernst genommen, und er bewies das, indem er immer zur Stelle war, wenn ich ihn brauchte. Manchmal fragte ich mich, was für ein Mann mein Vater gewesen sein mochte, eine so tiefe und treue Freundschaft zu verdienen, von deren Kapital ich jetzt noch zehrte. »Du bist inzwischen zu alt dafür, durch das verdammte Badezimmer einzusteigen. Du hast das als kleiner Junge immer gemacht. Weißt du noch?«
»So?«
»Ich habe extra das Licht angelassen, damit du nicht noch vom Fensterbrett fällst und dir den Hals brichst.«
»Hast du gehört, was passiert ist?« fragte ich. Franks ausweichendes Gerede konnte ich keinen Augenblick länger ertragen. »Ich wusste, dass du zu mir kommen würdest«, sagte Frank und kam, die Whiskyflasche in der Hand, auf mich zu.
Er konnte sich’s nicht verkneifen. Es war die Sorte selbstzufriedener Behauptungen, die ich oft genug von meiner Mutter gehört hatte. Warum musste er so ein altes Weib sein?
Sah er nicht, dass er damit alles verdarb? Ich ließ mir noch einen Whisky einschenken. Es war ein Wunder, dass er mir noch nicht gesagt hatte, ich würde zu viel trinken, aber früher oder später würde er auch das in die Unterhaltung einzuflechten wissen.
»Wann hast du es gehört?« fragte ich.
- 354 -
»Dass der Alte angeordnet hat, dich zu schnappen? Ich habe ein ›vertrauliches‹ Fernschreiben deswegen gekriegt, so gegen vier. Aber etwas später wurde die Anordnung widerrufen.« Er lächelte. »Man merkte an der Formulierung, dass irgendjemand in London meinte, der Alte sei jetzt völlig durchgedreht. Dann, ungefähr eine Stunde später, wurde die Anordnung wiederholt.
Diesmal mit der Unterschrift nicht nur des D.G. sondern auch des Deputy.« Er blickte auf den Teppich. »Das ist doch hoffentlich kein Fett?«
»Es ist Wasser«, sagte ich.
»Wenn es Fett oder Öl ist, sag’s lieber gleich, damit ich Tarrant einen Zettel hinlegen kann, dass er sich schleunigst darum kümmern muss, ehe sich das Zeugs im Gewebe festsetzt.«
»Ich habe dir doch gesagt, dass es Wasser ist, Frank.«
»Nun reg dich doch nicht gleich auf, Bernard.«
»Der Haftbefehl gegen mich ist also nicht aufgehoben?«
»Leider nein. Deine List mit deinem Freund Werner Volkmann hat die Militärs nicht lange zum Narren gehalten.«
»Lange genug.«
»Damit du abhauen konntest, ja. Aber Captain Berry hat einen Mordsanpfiff kassiert.«
»Captain Berry?«
»Na, der junge Captain der Militärpolizei. Wie ich höre, will der kommandierende General ihn deswegen vors Kriegsgericht bringen. Armes Schwein.«
»Captain Berry soll sich zum Teufel scheren«, sagte ich.
»Für Militärpolizisten, die mich in den Bau bringen
Weitere Kostenlose Bücher