Geködert
leise.
»Komm herein, Bernd«, rief sie. Ihre Stimme klang, entgegen allem, was Frank erzählt hatte, überhaupt nicht schwach. Sie saß im Bett und sah so hellwach aus wie immer, einen Haufen Kissen im Rücken und die rot- und grüngemusterte Bettdecke mit Zeitungen übersät.
Zeitungslektüre war Lisls Leidenschaft.
Pergamentlampenschirme färbten das Licht golden und verwandelten ihr wirres Haar in einen Heiligenschein. Sie hielt eine kleine Kunststoffschachtel in der Hand und schob und zog daran herum. »Sieh mal, Bernd, sieh dir das bloß mal an!«
Von neuem machte sie sich an der kleinen Schachtel zu schaffen. Hinter mir erklang, von einem metallischen Rasseln gefolgt, ein lautes Brummen. Ich muss erschrocken zusammengefahren sein. Lisl lachte. »Sieh dir das an, Bernd.
Aber pass auf! Ist es nicht wunderbar?« Sie kicherte entzückt.
Ich sprang zur Seite, als ein kleiner olivgrüner Jeep über den Teppich dahergefahren kam, aber er ging in die Kurve und raste geradewegs auf den Kamin zu, bis er gegen dessen Gitter
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knallte – worauf er kehrtmachte und, mit schwankender Antenne, weiter durchs Zimmer fuhr.
Obwohl sie mit der Fernsteuerung des Spielzeugs noch nicht ganz zurechtkam, strahlte Lisl vor Entzücken. »Hast du schon jemals so was gesehen, Bernd?«
»Nein«, antwortete ich, um sie nicht zu enttäuschen. Man merkte eben doch, dass die alte Dame den Finger nicht mehr wie früher am Puls der Zeit hatte – trotz der Zeitungen.
»Für den Jungen von Klaras Neffen«, sagte sie, ohne zu erklären, weshalb sie während der frühen Morgenstunden damit spielte. Sie legte das Kontrollgerät neben ein Glas Wein, das auf ihrem Nachttisch stand, wo auch ein altes Koffergrammophon und ein Stapel 78er Schellackplatten ihren Platz hatten. »Gib mir einen Kuss, Bernd«, befahl sie.
Ich befreite den kleinen Jeep aus einer Teppichfalte und umarmte und küsste Lisl dann herzlich. Sie roch nach starkem, würzigem Schnupftabak, durchdringend, denn etwas davon hatte sie auch auf ihre Bettjacke verschüttet. Die Vorstellung, diese verrückte Frau zu verlieren, war schrecklich. Sie war mir nicht weniger lieb als meine Mutter.
»Wie bist du denn reingekommen?« fragte sie plötzlich und sah mich streng an. Ich trat einen Schritt zurück und suchte verzweifelt eine passende Antwort. Sie setzte die Brille auf, um mich besser sehen zu können. »Wie bist du reingekommen?«
»Ich …«
»Hat dieses elende Mädchen wieder die Tür nicht abgeschlossen?« sagte sie zornig. »Wie oft soll ich ihr das denn noch sagen … Eines Tages werden sie uns alle im Bett ermorden.« Sie schlug klatschend mit gespreizten Fingern auf die über ihre Bettdecke verstreuten Zeitungen. »Liest sie denn keine Zeitungen? Heutzutage wird doch schon für mickrige zehn Mark gemordet … Die ganze Stadt wimmelt von Verbrechern, Rauschgifthändlern, Rauschgiftsüchtigen, Perversen … Man sieht diese Leute doch am hellichten Tag auf
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dem Ku’damm auf und ab stolzieren! Wie kann sie da die Haustür weit offenlassen! Ich hatte ihr befohlen, auf dich zu warten. Dieses dumme Mädchen!«
Das dumme Mädchen war fast genauso alt wie Lisl und musste morgen früh schon vor Tau und Tag wieder auf den Beinen sein, um das Frühstück anzurichten und zu servieren.
Klara hatte ein bisschen Nachtruhe bitter nötig, aber auf eine Diskussion ließ ich mich lieber nicht ein. Es war besser, Lisl nicht durch Widerspruch zu reizen.
»Wo warst du denn?«
»Ich bin zum Essen bei Frank geblieben.«
»Frank Harrington, diese hinterlistige Schlange.«
»Was hat er dir denn getan?«
»Natürlich, als Engländer musst du ihn ja wohl verteidigen.«
»Ich verteidige ihn ja gar nicht, ich weiß nur nicht, was er dir getan hat.«
»Er ist honigsüß, wenn er was von einem will, aber er denkt nur an sich selbst. Er ist ein Schwein!«
»Was hat Frank denn gemacht?« fragte ich.
»Willst du was zu trinken?«
»Nein danke, Lisl.«
Beruhigt nahm sie einen Schluck von ihrem Sherry, oder was es sonst war, und sagte: »Meine Doppelsuite im ersten Stock habe ich erst vor ein oder zwei Jahren mit einem neuen Badezimmer ausstatten lassen. Wunderbare Räume. Es gibt keine schöneren in Berlin.«
»Aber Frank hat doch diese große Villa, Lisl!« Sie winkte ab. »Für Sir Clevemore. Er hat vor langer Zeit hier gewohnt, als dein Vater noch da war. Damals war er noch kein ›Sir‹, ich bin überzeugt, er würde gerne wieder herkommen.«
»Sir
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