Geködert
vielleicht hier, um einen von Mrs.
O’Raffetys Dauergästen zu besuchen. Kennen Sie zum Beispiel Mr. Rensselaer? Der wohnt in dem Haus mit der großen Bougainvillea.«
»Bret Rensselaer?«
»Genau.«
»Er ist tot.«
»Bestimmt nicht.«
Jeder wusste, dass Bret tot war. Wenn Frank Harrington sagte, dass er tot sei, dann war er tot. Frank hatte in solchen Dingen immer die zuverlässigsten Informationen. Bret starb an den Schussverletzungen, die er bei einem nun schon drei Jahre zurückliegenden Feuergefecht in Berlin erlitten hatte. Ich stand nur ein paar Meter weiter weg. Ich sah ihn fallen, hörte ihn schreien. »Bret Rensselaer«, sagte ich langsam. »Ungefähr sechzig. Blondes Haar. Groß. Dünn.«
»Das ist er. Das Haar ist jetzt weiß, aber sonst stimmt alles.
Er war lange krank. Sehr schwer. Verletzungen bei einem Autounfall irgendwo in Europa. Mrs. O’Raffety hat ihn hierher
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geholt. Sie hat dieses Gästehaus umbauen und einen schönen Raum mit all den Geräten einrichten lassen, die er für seine Heilgymnastik und so Sachen braucht. Er konnte ja kaum gehen, als er hier ankam. Die eine oder andere von seinen Therapeutinnen kommt jeden Tag, sogar sonntags.« Er bemerkte meinen Gesichtsausdruck und fragte: »Kennen Sie ihn vielleicht von Europa her?«
»Ich kannte ihn sehr gut«, sagte ich.
»Sieh mal einer an.« Buddy Breukink nickte. »Ja, er ist irgendwie entfernt verwandt mit Mrs. O’Raffety. Der alte Cy Rensselaer – der berühmte, nach dem das Auto benannt ist –
war Mrs. O’Raffetys Großvater.«
»Ich verstehe.« Bret Rensselaer war also wirklich noch am Leben, und mich hatten sie diesen ganzen Weg hierher machen lassen, damit ich ihn sah. Warum?
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14
Es war schon sehr spät, als wir zu Mittag aßen. Mrs. Helena O’Raffety aß nicht viel. Vielleicht hatte sie schon einige Mittagessen hinter sich. Mit der Gabel schubste sie ihre Salatblätter auf dem großen rosa Teller hin und her, wie Polizisten Betrunkene von den Parkbänken aufscheuchen.
»Ich bin eigentlich Europäerin«, sagte sie. Ich wusste schon, dass sie eigentlich und innerlich ganz anders war als ihre kalifornischen Freunde und Bekannten. »Als ich noch sehr jung war, habe ich immer gesagt, eines Tages würde ich mir eine kleine Wohnung in Berlin kaufen, aber als ich dann endlich mal hinkam, fand ich die Stadt furchtbar traurig. Und so schmutzig. Dieser Ruß in der Luft. Nach zehn Minuten auf der Straße sah ich aus wie ein Schornsteinfeger. Ich habe mir meinen Jugendtraum nie erfüllt.« Sie seufzte und entschloss sich, eine Scheibe geschälter Tomate aufzuspießen und auch zu essen.
»In Berlin kann es sehr kalt werden«, sagte ich. Auf dem blauen Spiegel des Schwimmbeckens neben uns sah ich die Sonne glitzern, in der salzigen Seebrise roch ich den Duft wilden Salbeis, und hoch am Himmel über uns kreisten Falken.
Berlin war weit weg.
»Ach, wirklich?« fragte sie. Sehr lebhaft war ihr Interesse nicht. »Ich bin nur zweimal dort gewesen. Beide Male im Herbst. Ich mache immer im Herbst Urlaub. Da ist es noch warm, und die Hotels sind nicht mehr so voll.« Als wollte sie die Schlichtheit ihres blauen Baumwollkleids hervorheben, war sie mit Schmuck beladen: eine goldene Halskette, ein halbes Dutzend Ringe an den Fingern, eine goldene Armbanduhr, deren Zifferblatt mit Diamanten besetzt war. Jetzt machte sie sich an ihren Ringen zu schaffen, drehte einen nach dem andern, als seien sie ihr lästig, oder vielleicht wollte sie sich nur überzeugen, dass sie noch alle da waren.
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In der Garage hinter dem Haus wurde plötzlich der Wrangler-Jeep gestartet. Nach der gemeinsamen Fahrt mit Buddy Breukink erkannte ich seinen Stil sofort. Einmal, zweimal, dreimal ließ er den Motor aufheulen. Mrs. O’Raffety sah mit gequälter Miene zum Himmel auf. Man brauchte nicht allzu viel Phantasie, um in so ziemlich allem, was Buddy tat, unterdrückte Wut zu erkennen.
»Sie haben sich über die Erziehung meines kleinen Enkels Peter gestritten.« Sie brauchte mir nicht zu sagen, von wem die Rede war. »Buddy hat da seine eigenen Vorstellungen, aber meine Tochter will, dass er im jüdischen Glauben erzogen wird.« Sie trank einen Schluck Eistee.
Ich war vollauf beschäftigt mit dem kunstvoll arrangierten Hummersalat, den man mir hingestellt hatte. Alle Gemüsesorten, die sich als Salat servieren lassen – vom Shiitakipilz bis zur Lotoswurzel –, waren zu einer dekorativen jardinière rings um ein halbes Dutzend
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