Gekroent
beschützt die ihrigen. Hier im Herzen von Partholon bist du sicher und wirst von allen geschützt, die dich lieben. Es gibt nichts, wovor du Angst haben musst, meine Freundin … nichts zu fürchten …“
Alanna murmelte weiter beruhigend vor sich hin. Der süße Klang ihrer Stimme und die sanften Striche der Bürste wirkten auf meinen von vierundzwanzigstündigen Wehen und der Geburt erschöpften Körper wie eine Schlaftablette. Ich sehnte mich nach Schlaf. Bevor ich in die willkommene Dunkelheit glitt, war mein letzter Gedanke: Wenn auf der Heiligen Lichtung in Partholon keine Leichen gefunden werden, dann müssen sie in der Spiegelbildversion der Lichtung in Oklahoma sein. Was zum Teufel geht da drüben vor sich?
4. KAPITEL
Oklahoma
Lange bevor John Peace Eagle mit seiner düsteren Fracht langsam die Auffahrt heraufgefahren kam, wusste Richard Parker, dass etwas nicht stimmte. Er war den ganzen Abend unruhig gewesen. Schlimmer noch, seine sechs Hunde, Mischlinge der Rassen Windhund und Irischer Wolfshund, hatten kurz nach Einbruch der Dämmerung angefangen zu heulen und trotz seiner Ermahnungen minutenlang nicht aufgehört.
Er musste nicht auf den Kalender sehen, um zu wissen, welcher Tag es war. Er hatte die Monate, Wochen und Tage heruntergezählt, seitdem er seine Tochter im November das letzte Mal gesehen hatte. Das genaue Datum war nicht wichtig. Er wusste nicht einmal, wann genau Stichtag war, hatte aber eine grobe Schätzung. Ende April. Dies war der dreißigste April. Shannons Geburtstag. In einer anderen Welt, in der sie als Inkarnation einer Göttin verehrt wurde, wurde sie an diesem Tag sechsunddreißig. Die Erinnerung an die Geburt seiner Tochter war es nicht, die ihn in diese seltsame, grabesähnliche Stimmung versetzt hatte.
Hatte Shannon ihr Kind an diesem Tag zur Welt gebracht? In einer uralten Welt irgendwo hinter einer unvorstellbaren Barriere aus Zeit und Raum? Egal, wie unmöglich ihm das auch erschien, er wäre nicht überrascht, wenn sie versuchte, ihn darüber in Kenntnis zu setzen. Und was hieß schon unmöglich; die ganze Situation war eigentlich unmöglich.
Als Shannon inmitten dieses fürchterlichen Schneesturms im November vor seiner Tür erschienen war, verängstigt und schmutzig, einen Mann an ihrer Seite, der ihm als Clint Freeman bekannt war, ein ehemaliger Kampfpilot, hatte er ihre wilde Geschichte nicht glauben wollen. Sie hatte erzählt, sie habe mit einer Frau namens Rhiannon, die in einer anderen Welt die Inkarnation einer Göttin war, den Platz getauscht, und Clint hatte sie wieder zurück nach Oklahoma geholt. Seine Tochter war keine Lügnerin, und die Frau, die in den vorhergegangenen Monaten auf der Farm herumgelaufen war und sich benommen hatte wie eine kalte, kalkulierende Ziege, die Frau, die alle ihre Freunde und ihre Familie vor den Kopf gestoßen hatte, hatte zwar ausgesehen wie seine Tochter, sich aber nicht wie sie verhalten.
Schon bevor der grundschlechte Nuada ihn beinahe im eisigen Teich ertränkt hätte, und bevor er Zeuge der gottgegebenen Kräfte seiner Tochter geworden war, war es ihm leichter gefallen, die VorStellung von einer anderen Welt zu akzeptieren als anzunehmen, seine Tochter habe ihre Persönlichkeit total verändert.
Er hatte gewusst, wann genau Shannon Nuada besiegt und diese Welt wieder verlassen hatte, genauso sicher, wie er wusste, wie Regen riecht oder wie sich das Fell eines Pferdes unter seinen Fingern anfühlt. Es war ein angeborenes Wissen, das tief in seiner Seele wurzelte. Er hatte auch gewusst, dass Clint bei dem Versuch, Shannon zurück nach Partholon zu bringen, getötet worden war. Dieses Wissen hatte ihn beinahe so traurig gemacht wie der Verlust seines einzigen Kindes. Zum Glück war Shannon wenigstens nicht gestorben. Für ihn war es einfacher, sich vorzustellen, sie sei nach Europa oder vielleicht Australien gezogen, und sie würden einander eines Tages besuchen.
Richard seufzte und ging unruhig von einer Seite der betonierten Terrasse zur anderen. Shannon hatte gehen müssen. Sie war in dieser anderen Welt verheiratet mit dem Vater ihres damals ungeborenen Kindes. Sie liebte ihn, und ein Kind, eine Tochter, brauchte einen Vater.
„Aber auch ihren Grandpa“, murmelte er. Er hoffte, dass Shannon auf irgendeine Weise Kontakt mit ihm aufnehmen konnte, und sei es noch so kurz, damit er sich nicht so fühlte, als hätte er seine Tochter für immer verloren. Er träumte oft von ihr. In seinen Träumen war sie glücklich
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