Gekroent
Konzentration starrte sie den leuchtenden Felsen an. „Bitte leuchte weiter.“ Nun nahm sie auch die andere Hand weg.
Der Selenitbrocken strahlte immer noch. Zwar nicht mehr mit der gleichen Brillanz wie vorher, aber er gab weiter ein reines, silbernes Licht von sich. Morrigan jauchzte und führte ein kleines Tänzchen auf. Die Hände über den Kopf erhoben streckte sie die Finger in Richtung Decke und konzentrierte sich auf die Kristallbröckchen über sich. „Leuchtet für mich!“, rief sie ihnen zu.
Die Decke flammte auf und glitzerte so unglaublich strahlend, dass es Morrigan den Atem verschlug.
„Was zum Teufel ist hier los?“
Morrigan wirbelte herum und sah Kyle am Eingang des Lagerplatzes stehen. Er trug Jeans und ein Sweatshirt seiner Uni, das er, vermutlich in Eile, verkehrt herum angezogen hatte; sein dichtes blondes Haar war zerzaust, als wäre er gerade erst aufgestanden. Mit weit aufgerissenen Augen schaute er von den leuchtenden Kristallen zu ihr und wieder zurück.
8. KAPITEL
„Kyle!“ Morrigan spürte, wie ihr die Röte in die Wangen schoss. Niemand außer ihren Großeltern wusste, dass sie seltsame Fähigkeiten hatte. Niemand. Sie öffnete den Mund, um irgendeine Entschuldigung hervorzubringen … irgendetwas, das erklären würde, wieso sie nach Mitternacht mitten in dieser Höhle stand und die Kristalle leuchten ließ …
Hör auf, dein Erbe zu verleugnen!
Morrigan zuckte zusammen. Die Worte knisterten in der sie umgebenden Luft. Tief in ihrem Inneren spürte sie Verärgerung – dann bemerkte sie, dass sie wütend war. Wieso sollte sie Entschuldigungen für etwas finden, das zu ihr gehörte, das ihr kraft ihres Blutes gegeben war? Sie hob entschlossen das Kinn.
„Ich war das. Ich habe die Kristalle zum Leuchten gebracht. Ich bin die Tochter einer Priesterin.“
Kyles Kopf bewegte sich langsam vor und zurück, während er die funkelnden Kristalle anstarrte.
„Ich muss noch schlafen. Das hier muss ein verdammt realer Traum sein.“
Die alte Morrigan hätte ihm zugestimmt und wäre weggelaufen, um ihm unter den dann sicherlich langsam verblassenden Kristallen die Illusion zu lassen, in einem bizarren Traum schlafgewandelt zu sein, aber sie war nicht mehr die alte Morrigan. Sie war entschlossen, nie mehr die alte Morrigan zu sein.
„Kneif dich meinetwegen, aber du träumst nicht. Ich war das hier“, sagte sie nun etwas energischer. „Als ich heute Morgen durch die Höhle gegangen bin, wusste ich mit einem Mal, dass ich eine besondere Verbindung zu den Kristallen habe.“ Unbewusst strich sie mit einer Hand über den Selenitbrocken, der darauf sofort mit hellem Licht reagierte, das Kyle aufkeuchen ließ. Morrigan schaute ihn an. „Ich bin zurückgekommen, weil ich mein Erbe umarmen musste.“
„Mein Gott! Du bist es, Morrigan.“ Ganz eindeutig hatte er sie jetzt erst erkannt.
„Ja, ich bin’s.“ Morrigan fand seine Reaktion amüsant. Immerhin wirkte er nicht total entsetzt, sondern eher fasziniert. Dann dachte sie daran, wie er sich vor nur wenigen Stunden an sie herangemachthatte, und jetzt erkannte er sie kaum? „Gibst du Frauen immer deine Telefonnummer und vergisst dann sofort, wie sie ausgesehen haben, oder war das nur bei mir so?“
Offensichtlich immer noch verwirrt strich er sich über die Stirn. „Natürlich erinnere ich mich an dich, aber du siehst so anders aus.“
Morrigan gab ein ungläubiges Schnauben von sich (auch wenn Grandma ihr wieder und wieder gesagt hatte, dass das nicht sehr damenhaft war). „Anders? Ja, klar. Klingt genau nach der lahmen Ausrede, die ich von einem Jungen erwarten würde.“ Sie fühlte sich sehr überlegen und erwachsen, warf ihr Haar über die Schulter und schaute ihm direkt in die Augen, während sie sprach.
„Das ist keine Ausrede. Du siehst wirklich anders aus. Du solltest dich mal im Spiegel sehen.“
Seine Stimme klang wesentlich tiefer. Ganz offensichtlich war er von Ehrfrucht ergriffen.
„Deine Haut glüht.“ Langsam kam er auf sie zu. „Deine Augen strahlen wie von innen erleuchtete Topase.“ Er blieb vor ihr stehen. „Und dein Haar …“
Er streckte eine Hand aus, und Morrigan war total geschockt, als er eine Strähne zurückstrich, die ihr nach vorne über die Schulter gefallen war.
„Dein Haar ist wie der Rest von dir – von magischer Schönheit.“ Er nahm eine ihrer Hände und hob sie hoch, sodass sie ihren Arm sehen konnte, der bis zum Oberarm nackt war, weil sie immer noch nur ihr T-Shirt
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