Gekroent
Mutter gesehen hatte …
III. TEIL
1. KAPITEL
Partholon
Kurz bevor mein Leben zerstört wurde, striegelte ich Epi. Ich dachte, der klare, kühle Morgen wäre ein perfekter Zeitpunkt für einen kleinen Ausritt. „Wir sind vielleicht alt“, sagte ich der Stute, die ihre silbergrauen Ohren nach hinten kippte, um mir zuzuhören, „aber wir sind immer noch in der Lage, einen morgendlichen Galopp zu genießen. Meine Schenkel sind zumindest bereit. Wie steht’s mit deinen, altes Mädchen?“
Epis Erwiderung war ein Schnauben. Sie drehte den Kopf zu mir, um an meiner ledernen Reithose zu knabbern. Ich lachte und schob ihren Kopf sanft beiseite. „Du bist ganz schön frech. Vor allem für ein altes …“
„Rhea! Du musst sofort mitkommen!“
Stirnrunzelnd wandte ich mich von Epi ab und sah Alanna auf mich zurennen (rennen?). Ihr Gesicht war so unnatürlich blass, dass mein Magen sich sofort zusammenzog. Irgendetwas stimmte ganz gehörig nicht.
Ich reichte die Wurzelbürste einer der Stallnymphen, die wie aus dem Nichts aufgetaucht war, und drückte Epi einen leichten Kuss auf die Nase. Ich bemerkte, dass die Stute ganz still und ruhig geworden war und Alanna mit unbeirrtem Blick musterte. Ein Schauer der Vorahnung durchrieselte meinen Körper. Schnell lief ich Alanna entgegen. Sie wartete nicht, bis ich sie erreicht hatte, sondern drehte sich sofort um und rannte den Weg zurück, den sie gekommen war. Ich beeilte mich, mit ihr Schritt zu halten.
„Was ist los?“
„Myrna. Das Baby kommt.“
Sofort war ich aufgeregt, aber auch zu Tode verängstigt. Es war Mitte August, und ich hatte meine sehr schwangere, sehr launische Tochter beinahe jeden Tag in ihrem und Grants (nein, ich nannte ihn nicht mehr den Troll – zumindest nicht in der Öffentlichkeit und nur noch ganz selten) neuem Zuhause auf dem Land seiner Eltern besucht, das an das Tempelgelände angrenzte. Myrna war mehr als bereit, meine Enkeltochter auf die Welt zu bringen, und ich konnte ihr keinen Vorwurf machen. Ich erinnerte mich noch gut an das Gefühl,zu schwanger zu sein, um noch irgendetwas tun zu können. Also sollte das heute ein freudiger Tag sein. Ich warf einen Blick auf Alannas bleiches Gesicht, und mir kam der erste von vielen furchtbaren Gedanken. Wir sollten nicht zu meinem Tempel laufen. Wir sollten uns beeilen und Epi und einige unbedeutendere Pferde (meinen Ehemann schließe ich in diese Gruppe nicht mit ein) satteln und schnell wie der Wind zu McClures Weinberg reiten, um der Geburt beizuwohnen.
„Was ist passiert?“
Alanna schaute mich nicht an. „Sie haben Myrna erst vor wenigen Minuten hergebracht. Carolan ist bei ihr. Er hat einen zentaurischen Boten geschickt, um ClanFintan vom Bogenschießplatz zu holen. Ich lief, um dich zu suchen.“
Ich packte ihren Arm und zwang sie, mich anzusehen. „Ist es schlimm?“
Sie nickte steif, und ich sah, dass sie mit den Tränen kämpfte. „Carolan sagt, da ist zu viel Blut. Irgendetwas …“ Sie hielt inne, schluckte und fuhr dann fort: „Er sagte, irgendetwas in ihr ist gerissen.“
„Nein …“ Das Wort war kaum mehr als ein Flüstern. Alles in mir gefror. Es war, als hätte ich plötzlich alle Wärme in meinem Blut verloren. Alanna nahm meine Hand, und gemeinsam liefen wir durch den Innenhof zu dem Teil des Tempels, in dem sich die Krankenstation befand. Meine persönlichen Wachen, stumm und ernst, öffneten die Türen für uns, sodass wir ohne Verzögerung eintreten konnten.
„Hier entlang, Mylady“, sagte eine junge Frau mit versteinerter Miene. Sie war eine der Krankenschwestern des Tempels, wie ich wusste. Sie führte uns zu einem der inneren Räume. Kurz bevor ich die Tür öffnete, berührte sie mich respektvoll, aber doch fest an der Schulter. „Mylady, Sie sollten sich wappnen. Ihre Tochter wird Ihre Stärke brauchen.“
Ich kniff automatisch meine Augen zu Schlitzen zusammen und wollte nach ihr schlagen und meiner Angst und meiner Wut freien Lauf lassen, ihr sagen, sie solle es ja nicht wagen, irgendwelche Annahmen darüber aufzustellen, was meine Tochter jetzt brauchte. Doch was ich in ihren Augen sah, ließ mich verstummen, noch bevor ich ein Wort herausgebracht hatte.
Ich erblickte die Gewissheit des Todes.
Ich wandte mich von ihr und Alanna ab und legte meine Stirn andie in einem hellen Pfirsichton gestrichene Wand. Oh, Epona , betete ich fieberhaft. Lass nicht zu, dass das passiert! Myrna darf nicht sterben. Ich will sie nicht verlieren. Ich bitte dich
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