Gekroent
flog zu mir. „Mama …“
Ich ließ mich komplett von meinen Instinkten leiten. Sanft nahm ich Etain aus den Armen ihrer Mutter, küsste sie auf den unglaublich zarten Kopf und reichte sie an ihren Vater weiter. „Grant, halt sie dicht bei Myrna, damit sie sie sehen und berühren kann.“ Auch dann, wenn sie selber nicht mehr die Kraft dazu hat, musste ich nicht mehr hinzufügen. Grants tränenüberströmtes Gesicht sagte mir, dass er verstand. Ich nahm ClanFintans Hand und zog ihn neben mich, sodass er und ich auf der einen Seite von Myrna standen und ihr Ehemann und ihre Tochter auf der anderen.
Ein Schauer durchlief Myrnas Körper, und der furchtbare, metallische Geruch von frischem Blut schwappte über uns. Unterbewusst bekam ich mit, dass Carolan versuchte, den endlosen Blutfluss zu stillen, der so stetig aus meiner Tochter herausfloss, dass sich auf dem Fußboden schon eine kleine Lache gebildet hatte. Ich nahm wahr, dass ClanFintan den Gesang des Hohen Schamanen anstimmte, der den Übergang einer gerade freigesetzten Seele erleichtern und sie ermutigen sollte, sich auf die Reise zu Eponas grünen Weiden zu begeben. Ich wusste, dass er weinte, aber er stockte nicht ein einziges Mal in seinem Gebet, und der uralte Zauber erfüllte den Raum so komplett, dass ich seine Kraft auf meiner Haut fühlen konnte.
Ich wandte kein einziges Mal den Blick vom Gesicht meiner Tochter. Unsere Blicke hielten sich fest. Sie suchte nach Trost, nach Beruhigung. Ich schob meine abgrundtiefe Trauer beiseite und konzentrierte mich ganz auf Myrna. Ein letztes Mal in ihrem Leben brauchte meine Tochter mich. Ich war Eponas Auserwählte, die Hohepriesterin der Göttin. Ich würde das schaffen. Ich konnte ihr Trost geben und ihren Schmerz lindern.
„Alles wird gut, Mamas Liebste.“ Ich lächelte sie an und strich ihr übers Haar. „Du musst keine Angst haben. Epona kennt dich und liebt dich seit dem Moment deiner Geburt.“
„Ich … ich glaube dir, Mama.“ Ihre Stimme brach. Sie drehte den Kopf, sodass sie Etain sehen konnte. „Sag ihr, dass es mir leidtut, Mama. Sag Etain, dass ich sie liebe und sie vermissen werde.“
Ich nickte und unterdrückte den Schluchzer, der in meiner Kehle aufstieg. Hilf mir, Epona! Sofort wurde ich von einer Ruhe erfüllt, die, wie ich wusste, von meiner Göttin kam.
„Das werde ich ihr sagen, mein süßes Mädchen.“ Meine Stimme klang fest und sicher. „Ich werde Etain Geschichten von der Schönheit und Klugheit und der Liebe ihrer Mutter erzählen.“
Myrna nahm den Blick von ihrer Tochter und sah mich an. „Danke, Mama.“ Ein weiterer Anfall schüttelte ihren geschwächten Körper, und sie schloss die Augen. Ich hielt ihre Hand fest, zwang den Trost der Göttin durch meine Hand in ihre. Sie öffnete ein letztes Mal die Augen und schaute mich an. „Es … es tut nicht weh, Mama. Und ich habe keine Angst mehr.“
Dann glitt ihr Blick nach oben und über meine Schulter. Ihre Augen weiteten sich.
„Oh, Mama! Da ist Epona! Sie ist so wunderschön!“ Ihr Gesicht war mit einem Mal von einer unbändigen Freude erhellt. „Sie spricht zu mir. Epona sagt, dass sie mir ein magisches Geschenk gegeben hat, und dieses Geschenk ist Etain. Sie wird eine große Priesterin werden, geliebt und verehrt von ganz Partholon, und ihre Kinder werden große Priesterinnen und Krieger.“
Myrna tat einen rasselnden Atemzug, und ihr Körper erzitterte erneut, doch sie schien sich bereits von der physischen Welt verabschiedet zu haben, denn der glückselige Ausdruck auf ihrem Gesicht blieb. Den Blick immer noch über meine Schulter gerichtet, sagte sie: „Ich liebe dich, Mama. Ich warte bei Epona auf dich …“
Erschöpft, aber lächelnd stieß Myrna einen langen Seufzer aus, dann atmete sie nicht mehr.
Ich küsste sie und neigte den Kopf. „Geh mit der Göttin, Mamas Liebste. Eines Tages werden wir uns auf Eponas saftigen Weiden wiedersehen, wo es keinen Tod und keinen Schmerz und kein Leid gibt. Bis dahin werde ich dich jeden Augenblick jedes Tages vermissen und dich in meinem Herzen bewahren.“
„Mylady.“
Ich schaute auf und sah Grant, dem die Tränen nur so über die Wangen rannen. Er hielt mir das Bündel hin, das meine Enkeltochter war.
„Sie sieht aus wie Myrna“, sagte er mit gebrochener Stimme.
Ich nahm das Baby, das wirklich wie eine Miniaturausgabe ihrer verstorbenen Mutter aussah, drückte es an mein Herz und weinte.
2. KAPITEL
Ihr Kopf brachte sie um. Morrigan hatte schon mal
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