Gelassen durch die Trotzphase
Mäusekindergarten!«, rief Lucas Mama. Luca hüpfte begeistert auf ihren kleinen Mäusepfoten herum und piepste: »Jippie, endlich kann ich in den Kindergarten! Jippie, da ist es total super!« Schwupps, war sie angezogen, und dann raste sie los, dass die Mäusemama kaum hinterherkam. »Halt, warte auf mich, ich kann nicht so schnell«, rief die Mama. Aber Luca konnte es gar nicht abwarten, und sie flitzte vor bis zum Kindergartentor. Am selben Tag rief auch Tonis Mama: »Aufstehen, Toni! Heute ist der große Tag! Ich bringe dich in den Kindergarten!« Aber Toni wollte nicht aufstehen. Und sie wollte erst recht nicht in den Kindergarten. »Ich will nicht«, piepste Toni. »Ich kenne das doch alles nicht! Du musst bei mir bleiben!« – »Jetzt zieh dich erst mal an«, sagte Tonis Mama freundlich. »Es tut mir leid, dass das mit dem Kindergarten so schwer für dich ist. Ich bringe dich auch rein und mache noch ein Puzzle oder ein Spiel mit dir, bevor ich gehe.« Tonis Mama musste Toni beim Anziehen helfen. Toni flitzte gar nicht so schnell wie Luca, sondern ging so langsam sie konnte neben ihrer Mama her. »Du musst aber bei mir bleiben«, piepste sie immer wieder. Ihre Mama sagte nicht viel, sie streichelte nur ab und zu über ihr weiches Fellchen. Als sie im Mäusekindergarten angekommen waren, klammerte sich Toni ganz fest an ihre Mama. Die Mama ging mit ihr zusammen hinein und machte mit ihr ein Puzzle von einem großen bunten Schmetterling. Dann sagte sie: »So, mein Schatz, ich gehe jetzt. Gleich hole ich dich wieder ab. Mach’s gut.«
Sie gab Toni noch ein Küsschen – und schon war sie draußen. Tonis Schnäuzchen zitterte. In ihren kleinen schwarzen Mäuseaugen glitzerten ein paar Tränchen. Sie fühlte sich ziemlich allein. Sie kannte doch niemanden hier! Am liebsten hätte sie laut losgeweint. Da kam eine ganz nette große Maus, die nahm sie an die Hand und sagte: »Hallo Toni, ich bin Pia. Ich zeige dir, was du hier alles machen kannst.« Toni war es immer noch nach Weinen zumute. Aber sie guckte sich alles an. Sie sah die anderen Mäuse spielen und toben und hörte sie fröhlich piepsen. Alles war ihr ein bisschen fremd und unheimlich. Da entdeckte sie Luca. Mit Luca hatte sie schon mal im Wald gespielt.
Luca sagte gerade zu ihrer Mama: »Mama, wann gehst du endlich? Ich will doch jetzt mit den anderen Mäusen spielen!« Und dann stupste sie ihre Mama mit ihrem spitzen Schnäuzchen zum Tor. Toni staunte. Da kam Luca zu ihr und sagte: »Dich kenne ich doch! Komm, wir bauen was zusammen!« Auf einmal ging alles ganz leicht. Toni baute was mit Luca, und sie fand den Kindergarten schon gar nicht mehr so unheimlich. Dann malte sie ein bisschen, dann lief sie mit den anderen Mäusen draußen herum und schaute zu, wie sie zusammen mit der großen Pia-Maus ein paar Mäusespiele machten. Bei dem Lied »Mäuschen in der Grube« piepste sie ganz leise mit, das kannte sie nämlich schon. Da stand auch schon die Mama in der Tür und wollte Toni abholen. Toni sprang ihr fröhlich entgegen. Sie fühlte sich richtig groß und mutig. Den ganzen Vormittag hatte sie es ohne ihre Mama geschafft. »Morgen male ich wieder ein Bild«, sagte sie beim Rausgehen. Die Mama strahlte und gab ihr einen zarten Mäusekuss auf das kleine weiche Schnäuzchen.
Tonis Mama in der Mäusegeschichte zeigt, wie es gehen könnte. Sie bleibt gelassen, nimmt Tonis Gefühle ernst, redet wenig und bietet ein Abschiedsritual an. Genauso können Sie nun mit Ihrem Kind üben, seine Trennungsangst und Schüchternheit allmählich zu überwinden. Sie handeln wie Tonis Mama. Die Geschichte und das Üben mit Ihrem Kind gehören zusammen. Passend zu Ihrem Kind sind die Mäuschen entweder Mäusejungen oder Mäusemädchen. Wenn Sie einen Sohn haben, ändern Sie die Geschichte entsprechend.
Bei Angstfantasien wird im Gehirn »Alarm« ausgelöst, ohne dass es überhaupt einen aktuellen Reiz von außen gibt. Die betroffenen Kinder erfinden selbst, was ihnen Angst macht: Gedanken oder Fantasievorstellungen aktivieren das innere Alarmsystem und führen zu heftigen Angstreaktionen. Diese sind von Trotzreaktionen nicht immer leicht zu unterscheiden: Auch hier kommt es zu heftigem Schreien, lang anhaltendem Weinen, Anklammern oder Verweigern von alltäglichen Situationen.
Kindliche Phobien
Von einer Phobie spricht man, wenn jemand jedes Mal mit heftiger Angst oder Panik auf einen eigentlich harmlosen äußeren Reiz reagiert. Bestimmte Tiere, etwa Spinnen,
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