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Geld im Mittelalter

Geld im Mittelalter

Titel: Geld im Mittelalter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Le Golf
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zunehmende Verbreitung des Münzgeldes, eine Reaktion auf das Handelswachstum, durch den intensiveren Abbau von Silbererzen, also durch die Ausbeutung neuer Silberlagerstätten ermöglicht. Gleichwohl erreichte die Produktivität der europäischen Silberminen im 13. Jahrhundert noch nicht das Niveau der darauf folgenden Jahrhunderte. Sie wurde durch technische Neuerungen verbessert, die vornehmlich aus Deutschland kamen, manchmal sogar aus erster Hand von deutschen Bergarbeitern eingeführt wurden, so zum Beispiel in England, wo das Bergwerk von Carlisle von 1166 bis 1178 von Deutschen geleitet wurde, oder auf Sardinien, wo 1160 nachweislich 18 deutsche Bergleute arbeiteten. Ein beträchtlicher Teil des hier gewonnenen Silbers hatte Venedig zum Zielort, bedingt durch die hohe Finanzkraft der Stadt und die dauerhafte Anwesenheit deutscher Händler im Fondaco dei Tedeschi; das Silber für den Pariser Temple , wo der Staatsschatz der französischen Krone aufbewahrt wurde, stammte wiederum zum Teil aus der Mine von Orzals in der Grafschaft Rouergue.
    Von den neu erschlossenen oder stärker ausgebeuteten Silberminen befanden sich die größten in Goslar (Harz) – sie lieferten Albertus Magnus, dem großen Theologen und Naturforscher des 13. Jahrhunderts, den Arbeitsstoff für seine Untersuchung der Erze in der Abhandlung De mineralibus [Über die Minerale]. 24 Ferner sind zu nennen: Freiberg in Sachsen, Friesach in Tirol, Iglau (Jihlava) in Mähren, in Italien die Silberminen von Montieri bei Siena und Volterra sowie Iglesias auf Sardinien, wo Pisas Einfluss am größten war. Im Jahr 1257 brachten die Genuesen ein Pisaner Schiff mit einer Ladung von 20000 Silbermark auf, die um die fünf Tonnen wog, und stockten damit ihr Arsenal auf. Im 13. Jahrhundert wurden auch in England, genauer: in Devon neue Silbervorkommen entdeckt, um deren Besitz und Bewirtschaftung es zahlreiche Konflikte gab. Die Markgrafen von Meißen sicherten sich eine unangefochtene langjährige Vormachtstellung über die Silberlager von Freiberg, genauso wie die Bischöfe von Volterra über die von Montieri. In der Toskana und auf dem von Pisa beherrschten Sardinien gerieten die Silberminen in den Besitz von Gesellschaften, die Bergleute einstellten und bezahlten, so die compagnie di fatto d’argentiera in Montieri und die communitates fovee in Massa. Der englische König versuchte eine Zeit lang die Silbergewinnung in den Minen von Devon unter Eigenregie zu betreiben, sah sich aber bald ebenfalls gezwungen, sie Unternehmern zu überlassen. Im Übrigen konnten vor allem in Italien die Bergleute häufig die Oberhand über die Gesellschaften behalten, für die sie arbeiteten, in derselben Weise, wie in der Landwirtschaft bestimmte Bauern ihre Freiheit behalten oder erlangen konnten, wenn sie ein Allod in Form von lehnsfreiem Land besaßen oder Eigentümer waren. In den Silberminen praktizierten die Bergleute zum ersten Mal, was später in der Industrie Selbstverwaltung genannt wurde.
    Die Geldzirkulation in Europa
    Peter Spufford hat versucht, für das 13. Jahrhundert eine Übersicht über die jeweilige Gewichtung der Münztätigkeit in den verschiedenen Regionen Europas (also eine Art Zahlungsbilanz) zu erstellen und die Geldbewegungen nachzuzeichnen. Zu den Zeugnissen, auf die er sich dabei stützt – einschließlich literarischer Quellen, heute noch erhaltener Staatsschätze und Listen von Geldmünzen –, gehören auch zwei Texte, die vom Ende jener Periode datieren und gewissermaßen ihr Resümee und Endergebnis sind. Es handelt sich um die beiden ersten Handbücher zur Handelskunde und zum Münzwesen, die von Kaufleuten verfasst wurden. Das eine wurde um 1320 von einem Venezianer namens Zibaldone da Canal geschrieben und ist so etwas wie ein Notizbuch, das andere stammt von dem florentinischen Kaufmann Francesco Balducci Pegolotti, der wesentlich strukturierter vorging und mit seiner um 1340 verfassten Pratica della mercatura fast ein Lehrbuch vorlegte.
    Im Jahr 1228 bauten die Venezianer einen Palazzo am Canal Grande, den Fondaco dei Tedeschi, als Niederlassung für deutsche Kaufleute; das wiederum lockte immer mehr Deutsche in die Stadt, die Silbergeld aus dem Silber der deutschen, damals produktivsten Minen der Epoche mitbrachten. Zibaldone stellte fest, dass von diesem Zeitpunkt an die Prägestätten Venedigs hauptsächlich mit Silber aus Deutschland beliefert wurden: »L’arçento che vien d’Alemagna.« Deutsches Silber wurde aber nicht

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