Geld im Mittelalter
der Lehnsherren und besonders der städtischen Oberschicht der Bürger, begründet liegt.
Zu jener Zeit begünstigte aber auch die Religion den Geldgebrauch, vor allem durch die Entwicklung, die der Kirchenstaat nahm und die bei vielen Christen, insbesondere bei den Franziskanern und ihren Zuhörern, auf Ablehnung stieß. So kursierten gegen Ende des 12. und zu Beginn des 13. Jahrhunderts Texte, die das Papsttum in seinem Trachten nach Geld harsch kritisierten: die satirischen Romane Le Besan de Dieu und Le Roman de carité sowie die Parodie Evangile selon le marc d’argent 25 . Das Papsttum, das zu Beginn des 14. Jahrhunderts nach Avignon umzog, profitierte von der geographischen Lage der Stadt, die zentraler gelegen war als Rom, um die Steuerschraube anzuziehen und mehr Ressourcen von der Kirche und den europäischen Christen abfließen zu lassen. Unter Johannes XXII. (1316–1334) stiegen die Einnahmen des Heiligen Stuhls auf jährlich durchschnittlich 228000 Florentiner Florins. Die Zahl mutet gigantisch an, und viele Christen kamen zu dem Schluss, wenn sie sich den Reichtum des Papsttums vorstellten – obwohl sie nichts Genaueres darüber wussten –, dass dieses nicht Gott diente, sondern dem Mammon. Dabei lagen diese Einkünfte unter jenen der Regierung von Florenz und machten weniger als die Hälfte des Steueraufkommens der französischen und der englischen Könige jener Jahre aus. Aber bei allem Reichtum der Apostolischen Kammer an Einnahmen – sie ermöglichten nicht zuletzt den Bau des Papstpalastes in Avignon – darf nicht verschwiegen werden, dass ein großer Teil davon nach Italien (zurück)floss, wo das Papsttum häufig in komplizierte kriegerische Auseinandersetzungen verwickelt war. Im Übrigen führten Kriege im Mittelalter zu einem enorm hohen Geldbedarf, meist in monetärer Form, wie wir noch sehen werden. Ab dem Ende des 13. Jahrhunderts verursachte der englisch-französische Krieg in der Gascogne – Prolog des bald ausbrechenden Hundertjährigen Krieges – horrende Kosten für die französische und die englische Krone. Eduard I. gab zwischen 1294 und 1298 um die 750000 Pfund Sterling für die Besoldung seiner Truppen und die Sicherung der Gascogne gegen Angriffe Philipps IV. aus, die Zahlungen an etliche französische Fürsten nicht zu vergessen, deren Unterstützung oder Neutralität er sich damit sicherte.
Nun aber zurück nach Avignon: Hier kamen zu den eingenommenen und ausgegebenen Geldern der Apostolischen Kammer noch die Einnahmen und Ausgaben der Kardinäle der Kurie hinzu, die einen beträchtlichen Umfang annahmen. Ein weiterer, in jenem langen 13. Jahrhundert an die Religion gekoppelter Ausgabenposten war die Finanzierung der letzten Kreuzzüge. Schließlich brachten auch die anschwellenden Pilgerströme – mit mittellangen Wallfahrten wie der nach Rocamadour in Südfrankreich, vor allem aber dem Jakobsweg nach Santiago de Compostela, das immer mehr Pilger aus ganz Europa einschließlich Skandinaviens und der slawischen Länder aufsuchten – große Geldsummen ein.
Aufseiten der Franzosen brachte der Anfang des Italienabenteuers, dem sich Ludwig der Heilige verweigert hatte, auf das sich aber sein Bruder Karl I. von Anjou und später sein Großneffe Karl I. von Valois sowie wohlhabende französische Grundherren einließen, eine Neuauflage jener finanziellen Schröpfung mit sich, die einst die Kreuzzüge für das königliche und lehnsherrliche Frankreich bedeutet hatten. Der italienische Horizont, der langsam den von Palästina verdrängte, verlängerte, ja, verstärkte den Aderlass der französischen Reichtümer. In jenem 13. Jahrhundert erfuhr England noch Geldabflüsse anderer Art in Richtung Deutschland. Sie resultierten zu Beginn des Jahrhunderts aus der finanziellen Unterstützung, die der englische König Johann Ohneland, der Unterlegene in der Schlacht bei Bouvines 1214, seinem Schwager Kaiser Otto IV. zukommen ließ. Heinrich III. zahlte bei der Vermählung seiner Schwester Isabella mit Kaiser Friedrich II. nicht nur eine sehr hohe Mitgift, er ließ dem Kaiser für seine schwierigen Vorhaben in Deutschland und in Neapel-Sizilien außerdem großzügige Unterstützung zukommen. Ein Beispiel für das Anzapfen der englischen Reichtümer durch Deutschland liefert der Erzbischof von Köln, der ein reicher Mann wurde, nachdem sich die Engländer seine politische Unterstützung erkauft hatten, und 500 Silbermark im Jahr 1214 nach Rom schaffen ließ, wovon der Großteil in
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