Geld im Mittelalter
Silberbarren nach Avignon während des Pontifikats Johannes’ XXII. (1316–1334) derart beträchtlich, dass man nach dessen Tod ausrechnen konnte, dass er in seiner Amtszeit über 4800 Silbermark erhalten hatte, also mehr als eine Tonne Silber in Barrenform. Desgleichen wurden die Kreuzzüge unter Ludwig dem Heiligen um die Mitte des 13. Jahrhunderts zum Großteil mit Silberbarren finanziert. Diese Barren waren im 13. Jahrhundert in Flandern genauso verbreitet wie im Artois, im Rheinland, im Languedoc, im Rhônetal und sogar in Italien, obwohl es dort nicht an Münzen mangelte und die Geldzirkulation intensiv war. Pisa zahlte nach der Niederlage in der berühmten Seeschlacht bei Meloria im Jahr 1284 die von Genua geforderten 20000 Mark in Silberbarren. In Mittel-, Ost- und Nordeuropa nahm der Umlauf des Silbers in Barrenform umso mehr zu, als die regierenden Fürsten dieser Regionen größeren Bedarf an Geld hatten als die kleinen Leute, die im Alltag wenig davon gebrauchten. Das war in Dänemark, im Baltikum, in Polen und Ungarn der Fall. Im Allgemeinen strebten die großen Handelsregionen der Christenheit gegen Ende des 13. Jahrhunderts eine Regelung und Festschreibung des Umlaufs und der Monetisierung der Silberbarren an, so 1273 in Venedig und 1299 in den Niederlanden. Der Großteil der Silberbarren war anhand der eingeprägten offiziellen Garantiestempel zu identifizieren. Im 13. Jahrhundert waren in Europa im Wesentlichen drei Typen von Silberbarren in Umlauf, die sich durch ihren Gehalt an reinem Silber unterschieden. Vorwiegend Verwendung fanden neben dem europäischen Muster ein Barrentyp asiatischer Herkunft im Mittelmeerraum und am Schwarzen Meer sowie ein weiterer auf der Skandinavischen Halbinsel. In Russland zirkulierten zwei Typen normierter Silberbarren, die Kiewer und die Nowgoroder Griwna (Hrywnja).
Ein weiteres monetäres Zeichen für den wachsenden Bedarf im Handel der jeweiligen Länder und der Christenheit insgesamt an Silbergeld war das Auftauchen neuer, schwererer Silbermünzen, der Dickmünzen, zuerst in Oberitalien – den Grossi –, was angesichts der führenden Rolle dieser Region im internationalen Handel nicht verwunderlich ist. 27 Friedrich Barbarossa hatte zwar 1162 in Mailand einen kaiserlichen Denar in Umlauf gebracht, dessen Silbergehalt doppelt so hoch war wie bei den vorherigen Emissionen, doch der erste echte Grosso wurde zwischen 1194 und 1201 in Venedig ausgeprägt, und auch die 40000 Mark Silber, die die Kreuzfahrer den Venezianern überbrachten, wurden zu Grossi ausgemünzt. Gewicht und Kurs dieses neuen Grosso – festgesetzt auf 26 Piccoli – wurden in ein regelrechtes Währungssystem eingebunden, in dem Denar und Grosso an den byzantinischen »Übervater« gekoppelt waren. Dieser Bewegung schloss sich Genua zu Beginn des 13. Jahrhunderts an, gefolgt von Marseille 1218, den Städten der Toskana in den 1230er Jahren und schließlich Verona, Trient und Tirol. 1253 wurden Grossi im Gegenwert von 1 Sou oder 12 Deniers in Rom eingeführt. Karl I. von Anjou tat das Gleiche in seinem Königreich Neapel-Sizilien. Diese Carlin oder Gillat genannten Münzen konkurrierten mit dem Matapan von Venedig. Ludwig der Heilige folgte ebenfalls diesem Beispiel und ließ ab 1266 den Turnosgroschen (gros tournois) prägen. In den Niederlanden und im Rheinland wurden Dickmünzen erst ab dem beginnenden 14. Jahrhundert geschlagen, weil man wegen des vergleichsweise weniger blühenden Handels dort Silbermünzen mit einem geringeren Wert vorzog. In England kamen Dickmünzen erst ab 1350 zur Ausprägung. Ganz anders verhielt es sich rund ums Mittelmeer, wo im ausgehenden 13. Jahrhundert jede Stadt ihren Silbergrosso hatte, so auch Montpellier und Barcelona.
Wenngleich die Dickmünze aus Silber zweifellos die nützlichste und gebräuchlichste neue Münze des 13. Jahrhunderts war, so war doch das einschlägigste Ereignis in der Entwicklung der Geldwirtschaft jener Epoche die Wiederaufnahme der Goldmünzenprägung innerhalb der Christenheit. Nur an den Rändern Europas und in geringem Ausmaß hatte sie sich zugunsten der Beziehungen zu den Byzantinern und den Muslimen erhalten, also in Salerno, Amalfi, auf Sizilien, in Kastilien und Portugal. Übrigens wurde für diese Goldmünzen hauptsächlich das afrikanische Goldpulver aus dem Sudan oder Sidjilmasa in Südmarokko verarbeitet. Sie kamen in Nordafrika zur Ausprägung, in Marrakesch und mehr noch in Tunis und Alexandria, was mit dazu beitrug,
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