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Geld im Mittelalter

Geld im Mittelalter

Titel: Geld im Mittelalter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Le Golf
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des Geldumlaufs trat eine neue Kategorie professioneller Geldwechsler in Erscheinung, die so zahlreich wurden, dass sie einen immer wichtigeren Platz in der Gesellschaft einnahmen. Bisweilen kamen sie zu derart hohem Ansehen und Reichtum, dass sie in Chartres beispielsweise für zwei der berühmten Kirchenfenster der gotischen Kathedrale aufkamen. Eines der frühesten Beispiele eines Statuts des Berufsstandes der Geldwechsler ist das von Saint-Gilles aus dem Jahr 1178; es führt 133 Namen auf. Der höfische Roman Galeran de Bretagne vermittelt uns ein lebendiges Bild von den Geldwechslern in Metz um 1220:
    Si sont li changeurs en la tire
    Qui devant eulx ont leur monnoye:
    Cil change, cil conte, cil noie,
    Cil dit: »C’est vois«, cil: »C’est mençonge«
    Onques yvres, tant fust en songe,
    Ne vit en dormant la merveille
    Que puet cy veoir qui veille.
    Cil n’y resert mie d’oysensez
    Qui y vent pierres précieuses
    Et ymages d’argent et d’or.
    Autre ont davant eulx grant tresor
    De leur riche vesselment.
    Hier stehen die Geldwechsler in einer Reihe,
    vor ihnen liegt das Geld,
    der eine wechselt, der andere zählt,
ein Dritter lehnt ein Geschäft ab,
    einer sagt: »Das ist wahr«, ein anderer:
»Das stimmt nicht«.
    Niemals sah ein Trunkener im Traum,
    während er schlief, die Wunderdinge,
    die man dort mit wachen Augen sehen kann.
    Niemals begeht eine Dummheit,
    wer dort Edelsteine verkauft,
    sowie Bilder aus Silber und Gold.
    Andere haben vor sich den großen Schatz
    ihrer kostbaren Silberwaren ausgebreitet. 29
    In Florenz erhielten die Geldwechsler erst 1299 eine Satzung, in Brügge gab es nur vier offizielle Wechselbüros, und in Paris hatte das Gewerbe, das unter scharfer Beobachtung stand, noch keine eigene Organisation, obwohl die Wechsler zur städtischen Elite gehörten und sich bei Umzügen und anderen öffentlichen Auftritten der Obrigkeit entsprechend zeigten. Wie wir im Verlauf der Untersuchung sehen werden, pendelten der Geldgebrauch und der Status der Geldberufe im Mittelalter zwischen Beargwöhnung und hoher Geltung hin und her. Wurde das Misstrauen durch einen anderen Faktor verstärkt, konnte es in Verachtung und sogar Hass umschlagen. Das war bei den Juden der Fall. Nachdem sie lange Zeit die Geldverleiher der kleinen verschuldeten Leute gewesen waren, wurden sie in dieser Rolle durch die Christen verdrängt und in die Rolle von Verleihern gezwungen, die Geld auf kurze Zeit zu hohen Zinsen vergaben, verkörperten aber weiterhin das schlechte Ansehen der Geldgeschäfte, und die biblische, insbesondere im Evangelium begründete Verachtung des Geldes machte sie – bis heute – zu Verdammten durch das Geld.
    Die Erhöhung der Abgaben und ihre Ursachen
    Dieses relativ plötzliche Auftreten des Geldes bedeutete nicht nur einen Fortschritt, es hatte auch eine wachsende Inflation zur Folge, die den Grundherren und Landbesitzern, deren Bedarf an Bargeld immer größer wurde, erhebliche Probleme bereitete. Könige und Fürsten nutzten ihre zunehmende Kontrolle zunächst über die eigenen Ländereien, dann auch über ihre Königreiche und Domänen, um mit Hilfe einer Beamtenschaft, die ihnen ganz ergeben war – in Frankreich etwa die königlichen Prévôts, die Baillis und Seneschalle –, Druck auf ihre Untertanen auszuüben, damit sie ihnen Einnahmen in Form von Geld erbrachten. Da sie noch keine reguläre Steuer durchsetzen konnten, erhoben sie Abgaben und rechneten dabei Naturalien in Geld um. Das war eine der Voraussetzungen für ihren Machtzuwachs. In der Grafschaft Flandern wurde diese Politik ab 1187, dann auch im Königreich Frankreich unter Philipp II. August systematisch umgesetzt. Die Städte, die ihre administrative und finanzielle Unabhängigkeit erlangt hatten, verfolgten dieselbe Politik, vor allem in den Niederlanden und in Italien. Im Allgemeinen beuteten jene Städte, die über ein Territorium verfügten, dieses gewinnbringend aus. Im Jahr 1280 belegte die Stadt Pistoia in der Toskana ihre Bauern mit einer finanziellen Abgabe, die sechsmal so hoch war wie die ihrer Bürger. Ab dem letzten Viertel des 12. Jahrhunderts tauchte eine Institution auf – sie entwickelte sich allerdings nur sehr langsam –, aus der gut zu ersehen ist, dass Geld und Feudalismus sehr wohl miteinander zu vereinbaren waren. Einige Lehnsherren setzten ihren Vasallen weder Land noch Dienste als Lehen aus, sondern eine Rente, genannt Rentenlehen oder feodum de bursa . Die Historiker entdeckten einen

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