Geld im Mittelalter
Ludwig den Heiligen auf seinen beiden Kreuzzügen anzulocken, freilich in der Absicht, die Münzstätten zu zerstören, in denen sie geschlagen wurden.
Die erste europäische Goldmünze war der Augustalis, den Kaiser Friedrich II. ab 1231 auf Sizilien prägen ließ. Sie gehörte allerdings noch in die Kategorie der peripheren Goldmünzen, die mit dem afrikanischen Gold sowie der byzantinischen und muslimischen Welt verbunden waren. Die ersten echten neuen europäischen Goldgulden tauchten 1252 gleichzeitig in Genua und Florenz auf. Sie hießen Genovino und Fiorino d’oro (Florin) und waren mit dem Bildnis Johannes’ des Täufers oder der Lilie der Stadt Florenz geschmückt. Venedig prägte seinen Dukaten (Zecchine) mit den Bildnissen Jesu Christi und des Evangelisten Markus, der den Dogen segnet; diese Geldstücke zirkulierten konkurrenzlos im Mittelmeerraum. Hingegen war den Goldmünzen, die die Könige Heinrich III. von England und Ludwig IX. von Frankreich um 1260 prägten, kein Erfolg beschieden. Die symbolischen Darstellungen auf diesen hochwertigen Münzen gingen in die kollektive Erinnerung der Menschen des Mittelalters ein.
Darüber sollten wir eine dritte Ebene des Geldumlaufs nicht vergessen, die im 13. Jahrhundert ebenfalls eine rasante Entwicklung nahm: die geringwertigen Kleinmünzen mit wenig Edelmetallgehalt, sogenannte Billonmünzen, die für den Bedarf des täglichen Lebens, vor allem in der Stadt, geeignet waren. Sie wurden oft auch monnaie noire – schwarzes Geld – genannt. So ließ der Doge von Venedig Enrico Dandolo zu Beginn des 13. Jahrhunderts halbe Denare oder Obolen prägen. Gegen Ende unseres langen 13. Jahrhunderts war der Quattrino in Florenz die am häufigsten geprägte Geldmünze, ein 4-Denar-Stück, für das man üblicherweise einen Laib Brot erstehen konnte. Dieses Kleingeld machte auch den Grundstock der Almosen aus, die ab dem 13. Jahrhundert im Zuge des unausbleiblichen Wandels der Gesellschaft, aber als auch als Folge der Lehre und Predigten der Bettelmönche eingesammelt wurden. So hieß der denier parisis auf dem Gebiet der französischen Krone bald denier de l’aumônerie: Almosenpfennig. Ludwig der Heilige verteilte großzügig Kleingeld an die Armen.
Durch die neu einsetzende Goldmünzenprägung, die zur Prägung der Silbermünzen hinzukam, wurde das Bimetallsystem wiederhergestellt, das genau genommen ein Trimetallsystem war, wie Alain Guerreau zu Recht festgestellt hat. Bislang haben die Münzhistoriker die zunehmende Bedeutung der Münzen von geringem Wert – im Allgemeinen Kupfergeld wie der Billon – viel zu wenig berücksichtigt; bezeugen sie doch die Ausweitung des Geldgebrauchs auf fast alle Bevölkerungsschichten und die Routine des mit Geldmünzen beglichenen Kleinhandels. Entgegen der landläufigen Meinung waren die Dörfer davon nicht ausgeschlossen, und das Geld hielt auch im Feudalismus, das heißt in der zweiten, von Marc Bloch beschriebenen Phase, seinen Einzug. In der Picardie beispielsweise wurden ab 1170 der Pachtzins und neue Gebühren meistens in Denaren oder als monetärer Wert festgesetzt. 28 In vielen Regionen Europas konnten zwischen 1220 und 1250 die meisten Abgaben aus landwirtschaftlicher Betätigung in Münze umgerechnet und entrichtet werden. Wohlhabende Bauern taten das, und obgleich es keinen Markt für Grund und Boden im eigentlichen Sinne gab, wie wir später sehen werden, ließen Landkäufe eine bestimmte Kategorie begüterter Bauern erstarken, da ja der Gebrauch von Geld stets auch mit gesellschaftlicher Veränderung einhergeht. Berücksichtigt man außerdem noch, dass eine steigende Anzahl von Produkten mit geringwertigen Münzen bezahlt wurde, dann wird klar, dass das Münzgeld im 13. Jahrhundert seine Bedeutung als Wertreserve in vollem Maße zurückerlangte. Im Übrigen ist die Wiederkehr und Ausbreitung einer neuen Tendenz zur Geldhortung zu beobachten, deren extremstes Beispiel zweifellos die Stadtkasse von Brüssel darstellt, mit 140000 Geldstücken, die um das Jahr 1264 vergraben wurden. Die Zahl der Denare, also der gebräuchlichen Geldstücke, in diesen Kassen nahm zu. Obwohl der Geldumlauf uneinheitlich blieb, organisierte er sich im regionalen Rahmen und war das Wertverhältnis zwischen den in einem bestimmten Gebiet zirkulierenden Münzsorten mehr oder weniger klar festgeschrieben. Die Münzhistoriker werteten das lange 13. Jahrhundert in Deutschland als »Epoche des regionalen Pfennigs«.
Mit der Regionalisierung
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