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Geld im Mittelalter

Geld im Mittelalter

Titel: Geld im Mittelalter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Le Golf
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darlegen, dass es in der Hauptsache zwei Typen von Preisschwankungen gab, nämlich saisonale und zwischenjährliche, und dass beide gleichermaßen heftig waren. 95 Die Einführung des Geldes in die Preisgestaltung und in den Verkauf der nun in Zahlen bewerteten Nahrungsmittel bringt einen Sachverhalt ans Tageslicht, auf den ich schon früher aufmerksam gemacht habe, der aber zu wenig Beachtung gefunden hat: die Auswirkung des Geldumlaufs auf den Rhythmus der Jahreszeiten. Julien Demade stellte fest, dass vor allem in Süddeutschland die Einhebung von Geld durch die Herren bei den Untertanen sich auf bestimmte Zeitabschnitte kurz nach den Ernten konzentrierte, allerdings zeitversetzt, um den Untertanen zu erlauben, ihre Verkäufe zu tätigen. Die Preisschwankungen lassen nicht nur einen Zusammenhang zwischen dem Markt für Lebensmittel und den Abgaben an die Grundherren erkennen, sondern vor allem die Bedeutung des Faktors Zeit für die Preisgestaltung und darüber hinaus für die Funktionsweise der mittelalterlichen Gesellschaft. Ich schließe mich dem Autor an, wenn er sagt: »Die Entstehung und das Wachstum des Marktes am Ende des Mittelalters haben nichts mit einem vermeintlichen Übergang zum Kapitalismus zu tun, sie sind im Gegenteil eine Neuauflage des Feudalsystems, das den Markt erheblich stärkt.« Freilich befinden wir uns hier in einem Teil Europas, der, wie der herausragende polnische Historiker Marian Małowist gezeigt hat, schwach entwickelt blieb und im 15. Jahrhundert sogar eine zweite Leibeigenschaft erlebte, vor allem in den östlichen Ländern wie Ungarn oder Polen mit einem mäßigen Geldumlauf, 96 und dennoch war der Zusammenhang zwischen dem Markt für Lebensmittel und der Erhebung der Abgaben durch die Grundherren am Ende des Mittelalters im gesamten lateinischen Westen zu spüren. Wir gehen noch weiter. Ich nehme die Feststellung von Laurent Feller wieder auf: »Kauf und Verkauf kommen nicht ausschließlich durch kaufmännische Erwägungen zustande, sondern gehorchen auch einer gesellschaftlichen Logik, die wiederum bestimmt wird durch Familienbande, Freundschaft, Nachbarschaft sowie die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe mit Statusgleichheit« 97 , und erinnere daran, dass das Preissystem nicht nur durch gesellschaftliche Solidarität, sondern auch durch die Entwicklung einer fürstlichen und städtischen Bürokratie und die Bemühungen der Behörden um eine effiziente Steuereinziehung geprägt wurde.
    Die Bewegung der Löhne
    Nimmt man die Preisveränderungen in den Blick, dann muss man auch die Bewegung der Löhne in Betracht ziehen. Der Arbeitslohn wurde häufig als einer der Hauptfaktoren für das Ende des sogenannten Feudalsystems angesehen. Tatsache ist, dass der Arbeitslohn, wie das Münzgeld ganz allgemein, sich relativ leicht in den Funktionsablauf dieses »Feudalsystems« einfügte, und außerdem recht früh, wie die Streiks belegen, die schon ab den 1260er Jahren ausbrachen, um Lohnerhöhungen durchzusetzen. Die Einführung der Löhne auf dem Arbeitsmarkt wurde durch den Übergang von der Domänenwirtschaft zur Grundherrschaft im Rahmen der Fortentwicklung des Feudalsystems erheblich ausgeweitet und beschleunigt. Bronisław Geremek hat diese Entwicklung in den Städten am Ende des Mittelalters für Paris aufgezeigt, doch sie war allgemein verbreitet und übte erheblichen Einfluss auf die Geschäfte mit Nahrungsmitteln aus.
    Der ab 1348 mit dem Ausbruch der Pest beschleunigte Bevölkerungsrückgang führte zu einem Arbeitskräftemangel, der die Löhne zwischen 1350 und 1450 nach oben trieb. Für die Löhne im Baugewerbe ist vergleichsweise viel Datenmaterial erhalten. Es wurde in einer Untersuchung über den mittelalterlichen Maurer in England erschöpfend ausgewertet. 98 Für einen englischen Bauarbeiter stieg der Lohnindex von 94 Punkten in den Jahren 1340–1359 auf 105 Punkte im Zeitraum 1360–1379 und 122 Punkte im Zeitraum 1380–1399. Die Könige von England und Frankreich suchten den Anstieg der Löhne im Jahr 1361 durch Verordnungen aufzuhalten. Aber nicht nur, dass beide Könige auf das Lohnniveau von 1348 zurückwollten, es erging auch ein Verbot, gesunden, aber arbeitsunwilligen Bettlern Almosen zu geben, und in England sollten sogar Kinder ab 12 Jahren zur Arbeit herangezogen oder weiterbeschäftigt werden. Diese Regelung stieß bei den Handwerkern und Arbeitern jedoch auf heftigen Protest und wurde, da sie sie wohl kaum umsetzten, schließlich aufgegeben. In

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