Geld im Mittelalter
waren im Jahr 1466 die goldenen Reali 20 Carlini aus gutem Silber und ein Carlino wiederum 60 schwarze Piccoli wert. In Florenz waren die Unterschiede im Allgemeinen nicht so groß, und dennoch wurde die Stadt im 14. Jahrhundert durch soziale Unruhen erschüttert. Mit ein Hauptgrund dafür war die fast kontinuierliche Abwertung jener Münzen, mit denen die Textilarbeiter entlohnt wurden (sie wurden von den Arbeitern lanaiuoli genannt, dieselbe Bezeichnung verwandten die Unternehmer auch für ihre Arbeiter), was sich schließlich 1378–1380 im Aufstand (in der »Revolution«) der Ciompi entlud. Der größte Nachteil aber für diejenigen, die mit Münzen umgehen mussten, war die permanente Instabilität ihres Wertes, der sich manchmal von Monat zu Monat veränderte. Venedig vermochte die Diskrepanzen zwischen den drei Ebenen des Geldumlaufs insbesondere durch die Bewirtschaftung der nahe gelegenen Silberbergwerke Serbiens noch am geringsten zu halten. 1413 war der Dukat 124 Soldini wert, womit der Unterschied weitaus geringer ausfiel als auf Sizilien oder in Florenz. Dies alles fasste der große Historiker der Ökonomie und insbesondere des Münzwesens Jean Meuvret in einer trefflichen Feststellung im Zusammenhang mit den Tagebucheinträgen des Bourgeois de Paris aus dem Jahr 1421 zusammen:
Nur ein kleiner Teil der Bevölkerung, Großhändler und Finanzbeamte, kannten das Goldgeld. Das Volk in seiner Gesamtheit verwendete Silbergeld nur bei größeren Käufen; das einzige gängige Münzgeld war der Billon bzw. die Scheidemünze, und vielerlei Bedürfnisse wurden durch Selbstversorgung gedeckt. Die Wirtschaft machte Schluss mit dem Tauschhandel. 100
Wir haben häufig über Jean Meuvrets Einschätzung diskutiert und fanden, dass sie durchaus für das 16. Jahrhundert, nicht aber für das 15. Jahrhundert zutreffe. Nach seiner Ansicht aber, die er mir persönlich mitteilte, war dem schon im 15. Jahrhundert so. Mit dem Unterschied, dass das Silbergeld, wenn es um größere Zahlungen oder Berechnungen ging – beispielsweise für Löhne und Renten –, nicht nur in Städten unter den Besitzenden zirkulierte, sondern auch bei den Bauern, die für den Teil der eigenen Ernte, den sie verkauften, meistens Silbermünzen bekamen.
Im Jahr 1469 fand in Brügge eine Zusammenkunft statt, auf der König Ludwig XI. von Frankreich, König Eduard IV. von England, Kaiser Friedrich III. und Herzog Karl der Kühne von Burgund sich um klare Verhältnisse zwischen den Geldsorten bemühten. Es war die Antwort der mächtigen politischen Oberhäupter auf das monetäre Chaos und eine möglicherweise drohende Geldknappheit, vor allem an Kleinmünzen, von der die Historiker wissen, dass sie ein großer Hemmschuh für den wirtschaftlichen Aufschwung des Mittelalters war.
Exkurs
Gab es im Mittelalter einen Markt für Grund und Boden?
Die Frage, ob es im Mittelalter einen einheitlichen Markt für die gesamte Christenheit gegeben hat, stellt eines der Schlüsselprobleme dar, anhand derer das Wesen der Wirtschaft und insbesondere der Geldwirtschaft, die uns hier interessiert, bestimmt werden kann. Nachdem die Fachwelt die Bedeutung der ländlichen Ökonomie in den mittelalterlichen Gesellschaften erkannt hatte, erschienen mehrere Untersuchungen zum Thema, insbesondere jene des Engländers Chris Wickham in den 1990er Jahren, woraufhin auch einige bedeutende französische Mediävisten wie Laurent Feller und François Menant sich des Gegenstands annahmen. 2005 erschien dann unter deren gemeinsamer Federführung ein Sammelband mit dem Titel Le Marché de la terre au Moyen Age [Der Markt für Grund und Boden im Mittelalter], der den gesamten europäischen Raum in den Blick nimmt. Die Meinungen der Autoren gehen nicht alle in dieselbe Richtung. Dabei nimmt auf die Problematik noch zusätzlich Einfluss, dass der Begriff »Markt« in seiner umfassenden Bedeutung eher der angelsächsischen als der französischen Geschichtsschreibung eigen ist. 101 Das Fazit des reichhaltigen Buches, das jedoch noch viele wichtige Fragen unbeantwortet lässt, spricht mehr für die Abwesenheit eines Marktes für Grund und Boden – eine Ansicht, die schon Alain Guerreau, nicht nur auf diesen einen Markt bezogen, entschieden vertreten hat. 102 Wie Monique Bourin im Vorwort anmerkt, sei die Mehrheit der Autoren, eben weil die Natur der Untersuchungen einen Rückgriff auf die Anthropologie erforderlich mache, von den bis dato viel beachteten Thesen Karl Polanyis abgerückt und
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