Gelegenheitsverkehr
Versicherung war und da hat man es schwer«, sagte er.
Einträchtig durchquerten wir das Waldstück und traten auf eine Straße mit neuem Kopfsteinpflaster, die sich zwischen protzigen Villen wand. Ich roch frisch gemähtes Gras und nahm ein paar Züge.
»Hatte er manchmal besondere Anliegen?«, sagte ich.
»Einmal wollte er einen Panamera versichern«, antwortete Kasberger. »Gibt es aber keinen bei uns. Nur Neunelfer und Cayenne.«
»Was arbeitest du sonst?«, fragte ich, obwohl ich die Antwort schon kannte. In Polizeikreisen wurden Leute wie Kasberger arbeitsscheu genannt. Drittes Reich hin oder her, der Ausdruck hatte sich hartnäckig gehalten.
»Ich kriege Notstand. Früher habe ich schon gearbeitet. Ich kenne das Arbeitsleben«, sagte er stolz, als wäre er von einem Schlachtfeld zurückgekehrt. Die Worte verloren sich im Getschilpe der Vögel. Seinem Gesichtsausdruck nach zu schließen, musste es die Hölle gewesen sein. »Die wollen alle nur wen mit Schulabschluss«, sagte er.
Ein paar Meter vor uns glitt ein Einfahrtstor zur Seite. Eine braune Limousine fuhr in Schrittgeschwindigkeit heraus und kam auf uns zu. Am Steuer saß ein alter Mann in Anzug und Krawatte und starrte uns an. Ich hörte das Klacken der Zentralverriegelung. Durchs wilde Kurdistan.
Kasberger sah dem beschleunigenden Auto nach. »Es hat ja in der Hauptschule schon angefangen. Da waren auch alle gegen mich.« Er wischte mit der Hand über seine Stirn. »Bitte sagen Sie dem Gruber Ernst nichts.«
»Also hör zu, Kasberger«, sagte ich. »Was du da machst, ist Beihilfe zum gewerbsmäßigen, schweren Diebstahl. Suchtgifthandel haben wir auch noch. Und du und dein Versicherungsexperte, ihr seid eine kriminelle Vereinigung. Klar? Ich täte mir das überlegen.«
»Denen geht so ein Auto gar nicht ab«, protestierte er. »Und zahlen tut eh alles die Versicherung. Krieg ich jetzt Schwierigkeiten deswegen?«
»Nein, nein«, sagte ich. »Die Verdienstmedaille gibt’s dafür.« Ich breitete meine Arme aus. »In Gold.«
Er stand da und sah mich an. Die Hunde sabberten aufs Pflaster und wackelten mit den Köpfen.
»Eins bis zehn kriegst du und zwei Drittel musst du absitzen«, sagte ich. »Jahre. Was dachtest du denn? Geh lieber ins WIFI. Mach einen Kurs. Hol den Hauptschulabschluss nach. Mach eine Therapie.«
»Kann ich nicht, mit meinen Babys«, sagte er, zeigte auf die Hunde und schaute vorwurfsvoll. »Wie stellen Sie sich das vor?«
Ich musste Bloderer Tribut zollen. Diesen Grenzdebilen zu rekrutieren, alle Achtung. Wie ein Agentenführer. Ich betrachtete seine Babys. Konnte man Dackelfleisch in die Salami tun?
»Kein Wort zum Blondi, sonst bist du morgen im Gefängnis«, sagte ich. »Verstanden? Schönen Tag noch.«
Ich drehte mich um und schlenderte zurück. Die Welt war unperfekt.
*
»Ein bisschen höher«, dirigierte mich Julia mit erstickter Stimme. »Mm, dort ist es gut.« Sie lag nackt auf meinem Bett und schnurrte beinahe, während meine Hand von ihren Beinen über den Po zum Nacken glitt. Ich massierte sie sanft. Kerzenlicht flackerte golden auf ihrem Rücken. Leonard Cohen untermalte leise unser Idyll.
Sie hatte mich am späten Nachmittag angerufen. »Kundenservice. Julia Schumann. Guten Tag. Wie sind Sie mit Ihrem Fahrzeug zufrieden?« Sie habe diesen Abend Zeit und würde gerne einen Notfall herbeiführen. In einem Café hatte sie mir Karl Marx nähergebracht, eins kam zum anderen und nun lag ein Knäuel aus engen Jeans samt Höschen in meinem Schlafzimmer.
»Vielleicht mache ich nebenbei noch Jura«, sagte sie. »Mit dem Soziologie-Abschluss hab ich es nur zu den Mietautos geschafft.«
Es war sehr warm, aber als ich mit einem Fingernagel ihre Wirbelsäule entlangstrich, bekam sie trotzdem Gänsehaut.
»Vorher war ich im Kino an der Popcorntheke.«
Momentan war ich froh, dass Wien gute zwei Stunden entfernt lag. Das vermittelte mir ein Gefühl der ungestörten Behaglichkeit. Nestwärme.
»Willst du nicht aufmachen?«, sagte Julia.
»Was?«
Es klingelte noch einmal. Diesmal hörte ich es auch.
»Keine Ahnung, wer das sein kann. Wird schon wieder aufhören«, sagte ich.
Das Geklingel ging in einen Dauerton über. Ich rappelte mich auf, zog die Schlafzimmertür hinter mir zu und öffnete arglos.
Bettina stand da. »Warum machst du nicht auf? Ich dachte, ich schlafe bei dir.« Sie bückte sich nach ihrer Reisetasche. »Morgen treffe ich jemand von der Baufirma in Linz.«
Die Situation erforderte blitzschnelle
Weitere Kostenlose Bücher