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Gelegenheitsverkehr

Gelegenheitsverkehr

Titel: Gelegenheitsverkehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Sander
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sich einige Meter von Smirnik entfernt. Ab und zu sah eine zu ihm hinüber, wie der Aufpasser eines Vogelschwarms.
    Er sah auf seine Uhr und kickte ruckartig eine leere Bierdose auf die Straße. Niemand kaufte einen Fahrschein. Die Damen hatten wahrscheinlich Monatskarten. Ein Erdgasbus kam und alle stiegen ein.
    Ich folgte dem Bus in einem Abstand von fünf Autos. Die Routen der öffentlichen Verkehrsmittel kannte ich ungefähr. Seine Wohnung war am Stadtrand, in Zöhrdorf. Wenn er nach Hause wollte, würde er an der übernächsten Haltestelle umsteigen müssen. Ich quetschte mich an den Straßenrand und wartete. Nicht gerade unauffällig. Das Risiko einer Alleinobservation.
    Smirnik stieg aus, überquerte die Straße und wartete auf seinen Anschlussbus. Geschäftige Menschen in dünnen Kleidern und kurzen Hosen gingen vorbei.
    Wenn er hier in den Einundvierziger stieg, würde er um diese Zeit mindestens zwanzig bis dreißig Minuten brauchen. Ich reihte mich wieder in den Verkehr ein und fuhr nach Süden. Auf dem Sitz neben mir rollte eine Flasche Spitz Inländer Rum in ihrem Plastiksackerl herum. Im Supermarkt hatte ich sie nur am Hals angefasst, mit einem alten Kassenzettel zwischen Glas und Fingern. Ich parkte ein paar Straßen entfernt von Smirniks Adresse und ging an ordentlichen kleinen Häuschen mit Gartenzwergen vorbei. Ich hatte bereits meine raschelfreie Hooligan-Einheitskleidung an: Laufschuhe, Jeans, T-Shirt, Wollhaube, Sonnenbrille. Meine behandschuhten Hände steckten in den weiten Taschen des Kapuzensweaters. Das Sackerl mit der Rumflasche hatte ich unter den Arm geklemmt.
    Als die ersten graffitiverzierten Wohnblöcke in Sicht kamen, sah ich durch die Heckscheibe eines Kombis ein Navigationsgerät leuchten. Opel Astra blau, zwei Insassen. Die lange Dachantenne erinnerte mich an meine CB-Funk-Abenteuer als Jugendlicher. So dicht geparkt, dass das hintere Kennzeichen verdeckt war. Ich verlangsamte meine Schritte und fühlte, wie sich meine Bauchmuskeln anspannten. Zivilstreife konnte ich jetzt keine brauchen. Als ich auf gleicher Höhe mit den Seitenfenstern war, schoss plötzlich ein Streifenwagen mit Blaulicht und Folgetonhorn aus der Graffitigegend und raste an uns vorbei. Der Beifahrer des Astra sprach in ein Mikrofon an einem Spiralkabel. Nach einem Blick auf das Navi kritzelte er etwas auf einen Block auf seinem Schoß. Multitalent. Die Sirene verstummte in der Ferne. Ich ging vorbei und sah erleichtert, dass der Astra Passauer Kennzeichen hatte. Doch keine Exkollegen.
    Eine unförmige kleine Frau in einem langen Mantel schleppte wackelnd zwei prallgefüllte Plastiksackerl in einen Hauseingang. Während sich die zerkratzte Tür langsam wieder schloss, konnte ich Briefkästen mit aufgebogenen Fächern sehen. Drei Kids auf Mopeds mit abmontierten Verkleidungen rasten knatternd vorbei und hinterließen Gestank nach verbranntem Öl. Eine Amsel stürzte laut zwitschernd im Tiefflug auf einen der wenigen Büsche. Aus offenen Fenstern drangen Rufe, Sprachfetzen und schmachtende Musik. Ein Pärchen stritt lauthals. Ich verstand kein Wort. Durch eine warme Küchendunstschwade schritt ich der Bushaltestelle entgegen. Dunkle Wolken zogen auf.
    Die Kids lungerten neben einer Müllcontainerinsel um ihre abgestellten Mopeds herum. Ein paar ältere Männer standen daneben. Jeder hatte eine Bierdose in der Hand. Leichter Regen vertrieb die Gesellschaft.
    Die Oberleitungen sangen und kündigten den Bus an. Smirnik stieg aus. Ich folgte ihm in eine Seitenstraße. Eine einstöckige, lang gestreckte Häuserzeile in fahlem Gelb. Neben den Türen einbetonierte verbogene Fahrradständer. Dreiräder und große Kinderwagen mit Brandlöchern im braunsamtenen Stoffverdeck. Niedrige grüne Drahtzäunchen waren unter den Fenstern in den schmalen Rasen gesteckt und beschützten mikroskopische Blumenbeete. Unsere Seite der Straße war mit Autos vollgeparkt. Stille.
    Mein Telefon vibrierte. Bettina. Ich nahm an. »Ich rufe dich später  … «
    »Wer ist die Schlampe?«
    »Was?«
    »Ich habe dich heute gesehen, wie du mit einem Weibsstück herumgeschmust hast.«
    »Ach.« Ich dachte nach und lachte kurz. »Du, das war meine Klientin. Die hat sich nur  … «
    »Lachst du mich jetzt auch noch aus? Du hast gesagt, die wäre alt und hässlich.«
    »Bettina, ich kann jetzt echt nicht. Ich erklär dir das, wenn wir uns  … «
    »Ich kann mir auch jemand anderen zum Tanzen suchen«, schrie sie. Anruf beendet.
    Das wäre

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