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Gelegenheitsverkehr

Gelegenheitsverkehr

Titel: Gelegenheitsverkehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Sander
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wahrscheinlich am entspannendsten für alle Beteiligten, dachte ich, steckte das Telefon wieder ein und stellte den Rum ins Gras.
    »He, Schorschi!«, rief ich. »Die Polizei hat deine Anzeige nicht recht ernst genommen, was? Dein blödes Pubertätsauto hat niemand interessiert.«
    Keine Dienstvorschriften.
    Smirnik drehte sich um und starrte mich angriffslustig an. »Wer bist denn du, du Arsch? Hast du mein Auto  … «
    Ich war überaus businesslike. Aber es half sehr, wenn ich an meinen ehemaligen Widersacher in der Kriminaldirektion dachte.
    »Ja, habe ich. Und jetzt bist du dran«, sagte ich. Nimm das, Schnellwuchs. Ich boxte ihn ins Gesicht. Es knirschte und Blut tropfte auf sein Hemd.
    Er hielt sich nicht an mein Drehbuch, sondern wich aus. Dabei stieg er mit einem Fuß auf die Straße und klemmte ihn zwischen Randstein und dem Vorderrad eines alten BMWs ein. Die dämlichen Stiefeletten sollten ihn vermutlich ein bisschen größer machen. Jetzt hielten sie ihn fest wie ein Schraubstock.
    Als er sich zum Davonlaufen umdrehte, rutschte sein zweites Bein nach hinten und er schlug der Länge nach auf den Asphalt. Es knackte trocken, als würde man im Wald auf dürre Zweige treten. Sein Fuß war immer noch in derselben Lage eingeklemmt. Smirnik lag da und schrie.
    Das mit dem Winseln stimmte offensichtlich. So weit hatte ich gar nicht gehen wollen. Zurechtklopfen und meine Forderungen unterbreiten, das war der Plan gewesen. Dennoch eine gute Gelegenheit, die mich als erbarmungslosen Killer profilierte. Nebenprodukt.
    Ich bückte mich und durchsuchte seine Taschen, bis ich ein Handy fand. Dann packte ich ihn bei den Haaren und drehte sein Gesicht zu mir. Ich spürte seine Nackenwirbel aneinander scheuern. Kants Chiropraxis. Ich nahm meine Sonnenbrille ab und sagte: »Wir sehen uns noch, Schorschi. Denk schön an mich.« Dann übergoss ich ihn mit Rum. Hose, Oberkörper und eine großzügige Dosis für den Kopf. Damit konnte er gleich seinen Schmerz betäuben.
    Poldis Schilderung fiel mir ein. Scheißvergewaltiger. Ich ließ die Flasche auf ihn fallen und trat ihm beherzt zwischen die Beine. Er wurde noch schriller. Bald würden Fensterscheiben bersten.
    Keine internen Untersuchungen wegen angeblicher Übergriffe.
    Mit seinem Handy wählte ich 144. Ich wölbte meine Hand über das Mikrofon und sprach stockend: »Hilfe. Ausgerutscht. Auf Straße. Was gebrochen.« Nach einem Blick auf eine Hausnummer sagte ich die Adresse durch. Ich warf das Handy auf Smirnik, verfehlte ihn aber.
    Phase zwei erledigt. Besonders siegreich fühlte ich mich nicht. Ein schales Gefühl breitete sich aus. Nicht wegen Smirnik. Dem könnte ich gern noch einiges antun. Wegen mir. Weil mir das so leicht fiel.
    Der Regen wurde stärker. Ich ging davon.

    *

    Mit einem satten Geräusch fiel die Tür zu und hüllte mich in wohltuende Stille. Auf der Windschutzscheibe hockten hübsche runde Tropfen wie vom Himmel gefallene Diamanten. Von fern kündigte sich Entspannung an. Jetzt nach Hause, duschen und etwas essen. Als ich meine Handschuhe ausziehen wollte, zirpte das Telefon.
    »Elisabeth?«, sagte ich und lauschte angestrengt. Ich konnte sie kaum verstehen.
    »Jemand ist im Haus« , flüsterte sie. »Ich habe mich im Wintergarten versteckt. Hilf mir.«
    »Hast du die Polizei  … «, fragte ich. Anruf beendet.
    Zurückrufen war No-Go. Geklingel gab ihre Position preis. Also einsatzmäßig zu Elisabeth. Bis zu ihr waren es gute dreißig Kilometer, das meiste davon Autobahn.
    Starten, Vollgas. Die 180 Grad Wende drückte mich in den Sitz. Zentrifugentraining. Ein Hundegassigeher im Jogginganzug riss erschrocken sein winziges Vieh zurück auf den Gehsteig. An einer roten Ampel machte ich einen weiten Bogen um die brav Schlangestehenden. Gehupe, Fernlicht. Fast sieben. Der Verkehr hatte Gott sei Dank schon nachgelassen. Noch eine rote Ampel und ich war auf der Autobahn.
    Ich wählte den Notruf. Die Exkollegen waren besser ausgerüstet und zahlenmäßig im Vorteil. Die Funkleitstelle würde mindestens zwei Sektorstreifen schicken.
    Ein Überkopfleuchtschild sagte »Behinderung im Tunnel«. Ich brauste an verdutzten Arbeitern in Warnwesten vorbei. Ein blauer Fiat scherte plötzlich aus und setzte viel zu langsam zum Überholen an.
    »Polizeinotruf.«
    Ich verriss nach rechts. Das Telefon fiel zu Boden. Ich quetschte mich durch den Spalt zwischen Fiat und Vordermann. Noch mehr Hupen, noch mehr Licht. Ich riskierte einen Blick auf die Fußmatte. Weg.

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