Geliebt, begehrt, verwoehnt
abgelegenes, altes Bauernhaus zu ziehen. Das war natürlich ein Trick gewesen, um sie loszuwerden. Er musste doch gewusst haben, dass es für sie auf keinen Fall infrage kam. Wenn sie eingewilligt hätte, wäre er wahrscheinlich sprachlos vor Schreck gewesen. Sie musste zugeben, dass es immerhin eine originelle Art gewesen war, mit einer Frau Schluss zu machen. Etwas Vergleichbares hatte bestimmt noch keine ihrer Freundinnen erlebt.
Melly öffnete die Tür zu dem Büro des Maklers und versuchte, sich auf die Gegenwart zu konzentrieren. Es konnte nicht sein, dass sie tagelang einem geplatzten Wunschtraum nachtrauerte. Die Affäre mit Finn gehörte zum Glück unwiderruflich der Vergangenheit an.
"Es tut mir aufrichtig Leid. Aber wir haben strikte Anweisung, das Anwesen im Ganzen zur Versteigerung zu bringen", erklärte Philip Crabtree, der Makler, entschieden.
"Warum? Ich würde natürlich auch mehr für das Haus bezahlen als den angesetzten Mindestpreis", bot Melly an.
Der Makler hatte Verständnis für sie, konnte jedoch offenbar nichts für sie tun.
Er schüttelte bedauernd den Kopf.
"Ich kann Ihnen leider keine andere Auskunft geben als die, dass der gegenwärtige Eigentümer es so will."
"Wer ist denn der Eigentümer?" fragte sie. Vielleicht konnte sie direkt mit ihm in Kontakt treten und ihn überreden, ihr das Haus zu verkaufen.
"Er ist ein Amerikaner, der den Besitz überraschend geerbt hat. Das Erbe umfasst allerdings nicht nur Gut Shopcutte, sondern auch ein anderes, größeres Anwesen in einem anderen Teil des Landes. Er hat sehr klare Anweisungen gegeben, wie der Verkauf abgewickelt werden soll. Eigentlich wollte er bei der Auktion dabei sein, aber es sind Umstände eingetreten, die es verhindert haben.
Es tut mir Leid", betonte er nochmals, als er sah, wie enttäuscht sie war. "Ich sehe Ihnen an, wie gern Sie das Haus haben möchten."
„Ich will es nicht für mich, sondern für meine Großmutter.“
Melly erklärte ihm kurz die Verbindung zwischen dem Haus und ihren Großeltern.
Der Makler hörte aufmerksam zu. "Ich wünschte, ich könnte Ihnen helfen.
Doch ich muss leider den Anweisungen meines Auftraggebers folgen", erklärte er schließlich. "Ich darf es Ihnen eigentlich nicht sagen, aber bisher gibt es nicht viele Interessenten für das Anwesen. Ich glaube, Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen, dass noch jemand für das Haus bietet. "
Melly dankte ihm und ging. Seine gut gemeinten Worte hatten sie nicht beruhigt. Sie wäre sich des Hauses gern sicher gewesen. Jetzt musste sie doch bis zur Auktion warten. Es gefiel ihr nicht, wenn sie etwas in ihrem Leben nicht beeinflussen konnte.
Schnellen Schrittes ging sie zurück zu ihrem Auto und zog den flauschigen Mantel enger um sich. Wie ärgerlich, dass sie bis zur Auktion hier bleiben musste! Sie wollte nicht mehr Zeit in Shropshire verbringen als nötig. Auf keinen Fall wollte sie es riskieren, Finn noch einmal zu begegnen. Aber was wäre, wenn er inzwischen seinen Fehler eingesehen hätte? Er würde sie um Verzeihung bitten, ihr Liebe schwören und sie anflehen, ihm noch eine Chance zu geben.
Melly erlaubte sich, einen Moment lang bei dieser Vorstellung zu verweilen.
Nicht, dass sie Finn wieder sehen wollte. Er sollte nur zugeben, dass er im Unrecht war. Mehr verlangte sie nicht von ihm. Sie war froh, dass sie ihn nie wieder sehen würde. Jedenfalls versuchte sie, es sich einzureden, während sie in ihr Hotel zurückfuhr.
Melly bog von der Hauptstraße in die von Bäumen gesäumte Auffahrt ein, die zu dem Herrenhaus des Guts führte. Dort sollte an diesem Vormittag die Auktion stattfinden. Wider Willen war sie von dem repräsentativen Anwesen beeindruckt. Die Bäume erstrahlten in der ganzen Pracht ihres herbstlichen Laubs. Auf beiden Seiten der Allee erstreckte sich ein großzügiger Park in der Morgensonne. Das Herrenhaus aus dem frühen neunzehnten Jahrhundert, das jetzt vor ihr lag, war ein Glanzstück georgianischer Architektur. Zum Glück war es nicht durch spätere Anbauten verunstaltet worden.
Eine ihrer Londoner Freundinnen war jung verheiratet und suchte genauso ein Haus. Melly vermutete, dass ihre Freundin ihren reichen und für weibliche Reize sehr empfänglichen Ehemann von der Londoner Szene und den verführerischen Frauen dort fern halten wollte. Sie hatte ihrer Freundin gegenüber Zweifel geäußert, ob es klug wäre, eine erfolgreiche berufliche Laufbahn aufzugeben und aufs Land zu ziehen. Ihre Freundin hatte nur
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