Geliebt, begehrt, verwoehnt
berührte ihn tief.
"Was war mit deinen Eltern?" fragte er.
Melly schloss die Augen. Sie wünschte, sie hätte sich nicht auf dieses Gespräch eingelassen. Über ihre Eltern sprach-sie gewöhnlich mit niemandem. Nicht einmal ihre Freundinnen wussten, wie unsicher und ungeliebt sie sich als Kind gefühlt hatte. Ihre Mutter und ihr Vater waren ihr gegenüber kalt und gleichgültig gewesen. Noch heute sah sie den ablehnenden Gesichtsausdruck ihrer Mutter vor sich. Einmal hatte sie ihre Mutter gebeten, zu einer Schultheateraufführung zu kommen, und diese hatte geantwortet- "Nein, Schatz, ich kann nicht. James lädt mich heute Abend zum Essen ein, und du weißt doch, wie mich diese Schulveranstaltungen langweilen." Sie hatte nur allzu gut gewusst, dass ihre Mutter alles uninteressant fand, was mit ihrer kleinen Tochter zu tun hatte.
"Gar nichts war mit meinen Eltern", beantwortete Melly Finns Frage. Sie wandte sich ab, um ihr Gesicht vor ihm zu verbergen. Daher war sie nicht darauf vorbereitet, als er seine Position an der Wand verließ, auf sie zuging und ihr die Hände auf die Schultern legte.
"Sie haben dir sehr wehgetan, stimmt's, Melly'?" erriet er.
"Nein! " rief sie, doch es klang nicht sehr überzeugend. Der unterdrückte Schmerz in ihrer Stimme verriet, dass es eine Lüge war.
"Melly …“
"Ich will nicht darüber reden. Meine Eltern gehörten zu einer Generation, die glaubte, sie hätte das Recht, sich auf Kosten anderer selbst zu verwirklichen.
Wie viele andere Menschen damals wollten sie vor allem ihren Spaß haben. Ihr Fehler war, dass sie ein Kind wie mich bekommen haben, das Liebe und Aufmerksamkeit von ihnen forderte."
Melly spürte entsetzt, wie ihre Augen sich mit Tränen füllten. Verzweifelt versuchte sie, sich Finns Griff zu entwinden. Dabei traf ihr Blick seinen. Sie erstarrte, als sie in seinen Augen Mitgefühl las. Das machte sie noch wütender.
Sie wollte sein Mitleid nicht.
"Nein, Melly", verbesserte Finn sie sanft. "Der Fehler deiner Eltern war, das große Geschenk, das sie bekommen hatten, nicht zu würdigen."
Die Wärme in seiner Stimme brachte etwas in ihr zum Schmelzen. Melly blickte ihn an und wollte sich nur noch an ihn lehnen und sich von ihm trösten lassen.
Als er in ihre feucht schimmernden braunen Augen blickte, wusste er, dass er verloren war. Sein Blick glitt von ihren Augen zu ihrem Mund, und Finn stellte sich vor, wie er sie küsste.
Melly spürte, wie er erbebte. Sie stand viel zu nah bei ihm, sie musste sich von ihm lösen. Wie konnte sie sich so hinreißen lassen? Schnell trat sie einen Schritt zurück.
"Ich habe genug. Ich fahre jetzt. Sofort! " Melly drehte sich auf dem Absatz um und ging mit hoch erhobenem Kopf zur Tür.
"Ein toller Abgang! Aber ich fürchte, du wirst nirgendwohin fahren können", bemerkte er trocken.
Wollte er sie etwa hier festhalten? Der Gedanke machte sie wütend und erregte sie zugleich.
„Wie meinst du das?" fragte sie herausfordernd. Was sollte sie tun, wenn Finn sie hier festhielt? Ein Schauer überrieselte sie, und ihr wurde heiß. Aufregende Bilder und Erinnerungen an ihre gemeinsamen Nächte tauchten vor ihrem geistigen Auge auf.
"Sieh mal nach draußen", forderte Finn sie auf und schickte sich an, die Haustür zu öffnen.
Während ihres Streits hatte es draußen zu dämmern begonnen. Doch es war nicht die Dunkelheit, die Melly die Sprache verschlug, als sie hinausblickte. Es war auch nicht die Enttäuschung darüber, dass Finn sie nicht aus Verlangen hier festhalten wollte. Es war der Schnee, der in dicken Flocken fiel und die Landschaft bereits wie mit einem weißen Tuch bedeckte. Ein eiskalter Wind pfiff um die Ecken des Hauses, und ihr Auto war schon halb eingeschneit. Die Allee war nur noch an den Bäumen zu erkennen, die sie säumten.
Melly schluckte und blickte Finn an. „Es sieht wahrscheinlich schlimmer aus, als es ist. Wenn ich einmal auf der Hauptstraße bin..."
"Keine Chance", unterbrach er sie. "Heute Morgen gab es im Radio eine Schneesturmwarnung. Die Bevölkerung wurde gebeten, nicht mehr Auto zu fahren. Auch auf den Hauptstraßen muss mit Schneeverwehungen gerechnet werden. Ich würde mich nicht einmal mit dem Landrover in dieses Wetter hinauswagen. Auf keinen Fall würde ich dich dieser Gefahr aussetzen. "
"Es gab Schneesturmwarnungen? Warum hast mir das nicht gleich gesagt?" Sie funkelte ihn an.
Die Frage hatte er sich auch schon gestellt. Aber er hatte keine vernünftige Antwort darauf gefunden. "Du
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