Geliebt
Rucksack befanden sich dreihundert Ampullen mit Pesterregern. Bald würden sie sich in vier Teams aufteilen, und jedes Team würde – wie die vier apokalyptischen Reiter – den Tod an jeder Ecke des Bahnhofs in Umlauf bringen. Ein Team würde sich um den Bahnhof selbst kümmern, eins um den Zugang zur Grand Central, eines um die U-Bahn-Linien A, C und E und das vierte um die Zuglinien 1 und 9. Kyle hatte den besten Platz für sich selbst reserviert, nämlich die Amtrak-Züge. Bei dem Gedanken daran, dass er damit derjenige sein würde, der die meisten Menschen infizierte, lächelte er zufrieden. Vielleicht konnte er dadurch sogar noch andere Städte ausschalten.
Weitere Vampire aus Kyles Clan waren in den restlichen U-Bahn-Stationen der Stadt überall fleißig bei der Arbeit, beispielsweise am Times Square.
Kyle nickte, und sofort teilten die Teams sich auf. Er steuerte allein auf den Eingang Eighth Avenue zu.
Er fuhr die Rolltreppe hinunter, marschierte zum Ende des Bahnsteigs und ging dann weiter, bis ihn niemand mehr sah. Schnell sprang er hinunter auf die Gleise. Als er landete, liefen Ratten in alle Richtungen davon. Sie spürten seine Ausstrahlung. Was für eine Ironie, dachte Kyle. Damals waren es die Ratten gewesen, die die Pest verbreitet hatten. Jetzt flohen sie davor.
Kyle verschwand in der Dunkelheit und folgte dem Tunnel, wobei er sich ganz am Rand hielt. Er ging immer weiter, bis er die Kreuzung erreichte, an der sich alle Gleise trafen. Dort zog er eine Glasampulle aus seinem Rucksack und hielt sie unter ein Notlicht. Er konnte seine Erregung kaum im Zaum halten. Er stellte den Rucksack ab, griff mit beiden Händen hinein und machte sich ans Werk.
Nach so vielen Jahrhunderten des Wartens war es nun nur noch eine Frage von Stunden.
8.
Kapitel
S am konnte sein Glück kaum fassen. Ein fantastisch aussehendes Mädchen – aus der Zwölften! – führte ihn durch ein tolles Haus. Sie schien auf ihn zu stehen. Sie war cool und sexy. Und sie hatten das ganze Haus für sich.
Es war, als wäre ein Engel vom Himmel gefallen und in seinem Schoß gelandet. Er konnte es immer noch nicht glauben. Genau das hatte er gebraucht, und zwar genau jetzt. Er befürchtete, dass sich sein Glück jeden Moment wenden könnte und sie ihn auffordern würde, zu gehen. Doch anscheinend hatte sie es nicht eilig damit, ihn loszuwerden. Im Gegenteil, sie schien sich über seine Gesellschaft zu freuen. Und es war ihr sogar gleichgültig, dass er in ihrem Schuppen gewesen war. Er konnte es einfach nicht fassen. So viel Glück hatte er noch nie gehabt.
Als er in dem Haus herumlief, fiel ihm auf, dass es im Grunde genommen immer noch leer war. Im Kühlschrank befanden sich keine Lebensmittel, und es gab auch nicht viele Möbel. Nur hier und da stand ein Stuhl herum, und in einem Raum entdeckte er ein kleines Sofa. Er freute sich darüber, denn es gab ihm einen Grund, ihr seine Hilfe anzubieten. Er konnte ihr bei der Renovierung und beim Umzug helfen, Lebensmittel und Werkzeug kaufen – was immer sie brauchen würde. Selbst wenn sie ihn nur in ihrer Scheune übernachten lassen würde, wäre das cool. Und wenn sie ihn im Haus haben wollte, nun ja, das wäre einfach fantastisch. Aber was noch wichtiger war, er mochte sie. Er war einsam, das wurde ihm jetzt klar. In ihrer Gesellschaft fühlte er sich wohl.
»Das ist das Wohnzimmer«, sagte sie, als sie ihn in den letzten Raum führte, der ziemlich kahl war. An den Wänden hingen keine Bilder, auf dem Boden lag kein Teppich – es gab nur ein kleines Sofa in der Mitte.
»Entschuldige, dass es noch so leer ist«, fügte sie hinzu. »Ich bin gerade erst angekommen. Ich wollte meine alten Sachen nicht mitbringen. Das hier soll ein richtiger Neubeginn werden.«
Sam nickte. Er brannte darauf, ihr jede Menge Fragen zu stellen. Zum Beispiel: Wo kommst du her? Wie sind deine Eltern gestorben? Warum bist du ausgerechnet in diese Stadt gekommen?
Aber er wollte nicht aufdringlich sein. Deshalb stand er einfach nur da und nickte wie ein Idiot.
Außerdem war er nervös. Er fühlte sich stark zu ihr hingezogen, mehr als zu jedem anderen Mädchen, das er bislang kennengelernt hatte, und er wusste einfach nicht, was er sagen sollte. Er hatte das Gefühl, dass jedes Wort nur falsch sein könnte – daher traute er sich gar nicht, irgendetwas zu sagen.
»Möchtest du dich setzen?«, fragte sie, ging zu dem Sofa und ließ sich hineinfallen.
Und ob ich das will!
Er versuchte, seine
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