Geliebt
Gehirn arbeitete.
Sie hatte den Satz im Stillen auch dauernd wiederholt und hin und her überlegt. Trotzdem hatte sie noch keine Idee, was er bedeuten könnte. Eine Rose? Ein Dorn?
»Vielleicht gibt es hier irgendwo einen Rosengarten?«, dachte sie laut. »Vielleicht finden wir dort eine Art versteckten Hinweis? Oder vielleicht ist es der Name eines Hauses?«, fügte sie hinzu. »Eine Bar oder eine alte Schenke mit dem Namen ›Die Rose und der Dorn‹?«
Caitlin wandte sich wieder dem Computer zu und probierte weitere Suchbegriffe aus. Sie gab Rose allein ein. Dann Dorn . Dann Rose und Dorn . Unternehmen. Parks. Gärten.
Kein Ergebnis.
Enttäuscht fuhr sie den Computer schließlich herunter.
Mehrere Minuten blieben sie schweigend sitzen und dachten nach.
»Vielleicht denken wir in die falsche Richtung«, meinte Caleb plötzlich.
»Wie meinst du das?«
»Na ja, wir haben nach einer lebenden Person gesucht«, erläuterte er, »in der Gegenwart, in diesem Jahrhundert. Aber Vampire leben Tausende von Jahren. Wenn ein Vampir zu einem anderen sagt: Besuch mich doch mal , meint er nicht zwingend in diesem Jahrhundert. Vampire denken in Jahrhunderten, nicht in Jahren.
Es könnte also sein, dass dein Vater jetzt nicht mehr hier ist, aber einmal hier war. Vor langer Zeit. Vielleicht sollten wir nicht nach einer lebenden Person suchen, sondern nach jemandem, der irgendwann einmal hier gelebt hat. Wir sollten auch in Betracht ziehen, dass er hier gestorben sein könnte.«
Caitlin starrte ihn verständnislos an.
»Gestorben? Was redest du denn da? Ist mein Vater tot?«
»Es ist schwierig, dir das zu erklären, aber du musst es anders betrachten. Vampire durchleben mehr als ein Leben, sie leben in verschiedenen Gestalten. Viele von uns haben Grabsteine, obwohl sie noch leben. Ich selbst bin beispielsweise unter verschiedenen Namen auf vielen Friedhöfen in zahlreichen Ländern begraben. Offenkundig bin ich nicht wirklich tot oder begraben. Aber zur jeweiligen Zeit mussten die Ortsansässigen sicher sein, dass ich tot bin. Wir mussten ihnen beweisen, dass ich nicht zurückkommen würde. Eine Beerdigung und ein Grabstein waren die einzigen Dinge, die den Leuten diese Sicherheit gaben.
Wir Vampire hinterlassen nicht gerne Spuren, und wir möchten nicht, dass die Menschen wissen, dass wir zurückkehren. Das würde zu viel unerwünschte Aufmerksamkeit erregen. Manchmal lassen wir uns beerdigen, wenn es keine Alternative gibt. Dann stehlen wir uns still und leise mitten in der Nacht davon und ziehen weiter.«
Er warf ihr einen Blick zu.
»Es könnte durchaus sein, dass dein Vater hier beerdigt wurde. Wir haben nach lebenden Paines gesucht, aber wir haben uns noch nicht nach toten umgesehen.«
***
Caitlin war betroffen, als sie den kleinen Friedhof betraten. Die Gedanken wirbelten ihr im Kopf herum. Noch nie hatte sie einen derart alten Ort betreten. Am Eingang stand ein großes Schild mit der Aufschrift: Friedhof, 1637 . Sie staunte über die Tatsache, dass die Menschen seit fast vierhundert Jahren hierherkamen.
Noch mehr wunderte sie sich darüber, dass einige Touristen über den Friedhof spazierten. Sie hatte angenommen, dass sie die Einzigen sein würden. Doch schließlich handelte es sich um Salem. Außerdem war dieser Friedhof eine besondere Attraktion. Die Besucher betrachteten ihn anscheinend als Museum. Caitlin stellte fest, dass es neben den Gräbern tatsächlich ein Museum gab. Sie fand das nicht in Ordnung. Ihrer Meinung nach sollte dieser Ort mit mehr Pietät behandelt werden.
Der Friedhof war klein und überschaubar, kaum größer als ein Garten. Ein Kopfsteinpflasterweg wand sich zwischen den Gräbern hindurch, und als sie den Weg entlangschlenderten, staunte sie über das Alter der Grabsteine und die seltsamen Schriftzeichen, die schon seit langer Zeit verwittert waren. Die Inschriften waren englisch, aber so altertümlich, dass sie fast wie eine andere Sprache wirkten.
Sorgfältig studierte sie die Namen, wobei sie sich insbesondere auf die Nachnamen konzentrierte.
Aber sie konnte keinen einzigen Paine finden, auch nicht in abgewandelter Form. Sie hatten das Ende des Weges erreicht. Es gab nichts.
Caitlin und Caleb blieben stehen, und sie las die Aufschrift auf einer Gedenktafel. Sie beschrieb einige der furchtbaren Folterungen, die die Hexen erdulden mussten. Eine der Hexen war zu Tode gequetscht worden, hieß es. Caitlin war entsetzt.
»Ich kann nicht fassen, was man ihnen angetan hat«,
Weitere Kostenlose Bücher