Geliebte Betrügerin
wovon wir geträumt haben. Die Agentur ist beliebt, und das Ganze lässt sich spielend leicht führen. Es ist
die
Gelegenheit, nach Brookford House zu fahren und es sich gut gehen zu lassen.«
»Aber du -«
»Beth hat mich zwar sehr gern, aber du bist ihre liebste Freundin und ihr Vormund. Du musst sie mitnehmen.«
So entschlossen hörte sich Hannah sonst nur an, wenn sie einer widerspenstigen Schülerin die Leviten las.
Pamela legte die Hand auf den Rücken. »Ich sage es nur ungern, aber die Stelle, an der der Räuber mich verletzt hat, schmerzt auch noch.«
»Der Kratzer war auf der anderen Seite.« Hannah stopfte Pamelas Stiefel in eine zweite, leere Reisetasche. »Ich finde, du solltest für die Reise dein neues, hellblaues Barchentkleid mit dem weißen Blumenmuster anziehen -«
»Ich sollte wegen meines Vaters noch Halbtrauer tragen«, wandte Pamela ein. Außerdem hatte sie diese Farbe ausgesucht, weil Kerrich gesagt hatte, sie stehe ihr besonders gut. Diesen Farbton vor ihm zu tragen, schien ihr ein gewisses Eingeständnis zu sein.
»Die Trauerzeit ist fast vorüber.« Hannah ging zum Schrank und holte das Kleid. »Außerdem hat es dich bis jetzt auch nicht gekümmert.«
»Aber jetzt kümmert es mich.« Pamela hatte beschlossen, in diesem Punkt hart zu bleiben.
Hannah schlug die perfekte Lösung vor: »Dann wirst du eben meinen grauen Kaschmirschal tragen, den mit der Blumenstickerei am Saum. Die Stickerei ist auch blau und passt zum Kleid. Und das Grau trägt der Etikette Rechnung.« Hannah legte das Kleid neben Pamela aufs Bett. Dann nahm sie sie an den Schultern und sah ihr in die Augen. »Du brauchst ja nicht in Brookford House zu bleiben, wenn es dir dort nicht gefällt, Pamela, aber du wirst hinfahren. Und Pamela -«
»Ja.«
»Denk darüber nach, ob du deines Vaters Uhr nicht hierlassen möchtest.«
Die prächtigen Eichen warfen gesprenkelte Schatten auf Pamela, Beth und Lord Reynard, die in einer luxuriösen, offenen Kutsche durch eine Allee nach Brookford House fuhren. Der Kies knirschte unter den Rädern, und eine leichte Brise deutete den nahenden Herbst an. Der weitläufige Park prangte mit wilder Schönheit und einem Fischteich, auf den Lord Reynard besonders stolz war. Zu ihrer größten Aufregung entdeckte Beth ein Reh. Sogar Pamela konnte sich angesichts des grünen, roten und goldenen Laubs einer gewissen Heiterkeit nicht erwehren.
»Kutscher«, sagte Lord Reynard. »Halten Sie auf der Anhöhe.«
Die Bäume lichteten sich. Die Kutsche fuhr langsamer. Das Haus kam in Sicht.
Pamela wurde der Mund trocken. Eine frisch gemähte, grüne Weide erstreckte sich vom Ufer des Sees bis zur gepflasterten Veranda. Das Gebäude im italienischen Stil war drei Stockwerke hoch und zwölf Fenster breit. Ein Wunder der Baukunst aus zartrosa Stein und ionischen Säulen. Das Frontispiz über dem Säulengang war reich mit Blumenreliefs verziert. Ein Steinfries fasste das Dach ein, auf dem sich unterschiedlich hohe Kamine erhoben. Eine heitere Schönheit zwischen bewaldeten Hügeln.
Beth rief: »Großer Gott! Das da ist ja noch größer als das in der Stadt!«
»Viel größer«, sagte Lord Reynard. »Fast zweihundert Zimmer, davon siebenundvierzig Gästezimmer und zwanzig Badezimmer – mit fließendem Wasser! Für einen einzigen Bewohner ist es wirklich zu groß, und es ist ein grässlicher Ort, um einen Welpen stubenrein zu kriegen, wie Devon kürzlich feststellen musste.«
Beth kicherte.
Die Kutsche schlingerte weiter.
Lord Reynard sagte: »Devon hat sich für Norfolk entschieden, damit er in meiner Nähe sein kann. Ich wohne nicht weit von hier, Miss Lockhart, auf dem Anwesen der Mathewes'.«
»Oh.« je länger sich die Auffahrtsstraße wand, desto zappeliger wurde Pamela. »Wie schön, dass sie beide so nah beieinander sind.«
»Devon ist ein guter Enkelsohn und ein großartiger Mann.« Lord Reynard nickte. »Finden Sie nicht auch, Miss Lockhart?«
»Ja, wirklich großartig.« Wäre er weniger großartig gewesen, hätte Pamela sich nicht in diesem Zustand ängstlicher Erwartung befunden. Brookford House rückte näher und überwältigte sie mit seiner Pracht, seinem Wohlstand und seinen Annehmlichkeiten.
Ein paar Leute standen aufgereiht die Treppe hinauf und reckten die Hälse nach der herannahenden Kutsche.
Dann sah sie
ihn.
Kerrich erwartete ihre Ankunft auf der Veranda. Das Haus war mit einmal nur noch die Kulisse, vor der er auftrat, und Pamela war verloren. Eine Woge aus Begehren,
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