Geliebte Betrügerin
war richtig gut, wenn sie die pedantische Zuchtmeisterin gab! »Erstaunlicherweise hatte das Waisenhaus außer Mädchen sonst nur jungen zu bieten.«
»Und warum haben Sie keinen jungen genommen?«
»Es gab keinen passenden.«
»Was soll das heißen, keinen passenden?«
»Beth war das einzige Kind im Waisenhaus, das über die notwendigen Qualifikationen verfügte.«
»Die notwendigen Qualifikationen?« Die arrogante Pose und der herrische Tonfall sollten ihr Respekt abnötigen. »Frau, von was zum Teufel reden Sie eigentlich?«
»Mylord, ihre ungeschlachte Ausdrucksweise ist in Anwesenheit zweier Damen inakzeptabel. Zumal wenn Beth zugegen ist, deren Sprache frei ist vom Jargon der Straße.« Pamela hielt inne und ließ das erst mal wirken.
Durchs Foyer war zu hören, wie es an der Eingangstür klopfte.
Kerrich begutachtete Beth. »Da hätte es doch sicher einen Burschen gegeben, der -«
»Nein.« Ihre Blicke krachten förmlich ineinander. »Beths Manieren sind tadellos. Und sie ist aufrichtig. Über Ihre Aufrichtigkeit möchte ich lieber keinen Kommentar abgeben.«
Beth wimmerte. Ein leises jammern, das den beiden Streithähnen Einhalt gebot.
Moulton pochte an die Tür. »Mylord?«
Seinem Butler schenkte Kerrich keine Beachtung, doch das Unbehagen des Kindes hatte er registriert, denn er mäßigte seinen Ton. »Was soll ich mit einem Mädchen anfangen?«, fragte er.
»Das Gleiche wie mit einem jungen, würde ich meinen«, antwortete Pamela. »Geben Sie mit ihr an. Werden sie ein respektabler, liebenswürdiger Mensch.«
»Was für ein Unsinn!«
Ihm schlagfertig zu antworten, machte ihr Spaß. »Genau das denke ich mir schon die ganze Zeit.«
Kerrich sah sie mit zusammengezogenen Augen an. »Miss Lockhart, Sie überschreiten Ihre Grenzen.«
Aus dem Foyer drangen Stimmen herüber, und der frische Luftzug sagte ihr, dass die Eingangstür offen stand. »Vergeben Sie mir, Mylord. Ich dachte, Männer würden es mögen, wenn die Frauen ihrem Urteil beipflichten.«
Beth zupfte sie am Ärmel, und Pamela beugte sich zu ihr hinunter, damit sie ihr etwas zuflüstern konnte. »Bitte, Madame. Wir wollten ihn doch überzeugen, dass ich das richtige Kind für ihn bin.«
Pamela sah zu Kerrich hinüber. Er hatte Beth natürlich verstanden, und natürlich hatte er keine Skrupel, erfreut über Pamelas missliche Lage zu grinsen. »Ein Junge«, verkündete er, »könnte mit mir zum Pferderennen gehen. Und zu Boxkämpfen. Und in den Club.«
Pamela zügelte aus Respekt vor Beth ihr Temperament. »Sie stehen im Ruf, ein Lebemann zu sein. Gehen Sie mit Beth da hin, wo Sie mit Ihrer Tochter hingehen würden. In den Park. Zum Feuerwerk. In eine Shakespeare-Aufführung.«
Moulton betrat zögerlich den Raum. »Mylord?«
»In einer Minute, Moulton!«, sagte Kerrich gereizt. »Miss Lockhart, ein solches Programm würde mich zu Tode langweilen.«
Ihr Geduldsfaden, den närrische Männer immer dünn werden ließen, riss erneut. »Denken Sie doch nach, Mylord! Sie trauern tatsächlich der Gelegenheit nach, einem Jungen, die Vergnügungen nahe zu bringen, in denen Sie gerne schwelgen? Aber die Queen geht nicht zum Pferderennen oder zu Boxkämpfen.«
»Was wissen Sie von den Gepflogenheiten Ihrer Majestät?«
»Genauso viel wie Sie, wenn Sie sich nur -« Pamela bekam sich gerade noch unter Kontrolle, bevor sie sich verriet und diesem über alle Maßen arroganten Mann ihre Vergangenheit offenbarte. »Ich weiß, dass sie frisch verheiratet ist und wie gesetzt ihr Gatte ist. Und man muss nicht lange nachdenken, um zu begreifen, dass die Königin wie jede andere rechtschaffene Frau kaum von Ihrer Menschenliebe beeindruckt sein wird, wenn Sie junge Burschen zu Pferdewetten animieren.«
Moulton ging ins Foyer, kam aber gleich wieder zurück und zappelte nervös herum.
Kerrich gefiel Pamelas freimütige und zweifelsfrei zutreffende Bewertung seiner Pläne nicht. Also tat er, was alle Männer r taten, wenn man ihnen ihre Denkfehler vorrechnete. Er schmollte. »Das Kind ist unbrauchbar.«
Beth hatte offensichtlich entschieden, ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen, denn sie sprach ihn direkt an: »Verzeihen Sie, Sir. Aber ich bin nicht unbrauchbar. Ich kann eine Menge Sachen, und wenn Sie mich bleiben lassen, lerne ich, das Kind zu werden, das Sie haben wollen.« Ihre Stimme bebte, doch sie, sah Kerrich geradewegs in die Augen. »Aber erst müssen Sie mich dabehalten. Ich verspreche, dass ich alles tue, was Sie wollen. Aber Sie
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