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Geliebte Betrügerin

Geliebte Betrügerin

Titel: Geliebte Betrügerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christina Dodd
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sinnend das Kinn. »Sind wir einander schon einmal begegnet?«
    »Möglicherweise, Mylord. Aber wenn ja, dann vor vielen Jahren und nur ganz kurz.«
    Lord Reynard schien Erinnerungen auszugraben, derer er lange nicht mehr bedurft hatte. »Ich habe die Lockharts aus Somerset gekannt. Sind Sie verwandt?«
    Kerrich schaute Miss Lockhart verblüfft an. Sie sollte eine der Lockharts aus Somerset sein?
    Aber Miss Lockhart blickte weder ihn noch seinen Großvater an. Stattdessen betrachtete sie den gemusterten, chinesischen Läufer zu ihren Füßen und antwortete kühl: »Ja, Mylord. Alice Lockhart Ripley war meine Mutter.«
    »Ah.« Lord Reynard richtete sich gerade und verbeugte sich leicht. »Habe erst vor kurzem vom Tod Ihres Vaters gehört. Lassen Sie mich Ihnen mein Beileid aussprechen.«
    »Danke, Mylord.«
    Kerrich war schockiert. Miss Lockhart, die wohl widersprüchlichste Frau, die ihm je begegnet war, reagierte nicht betroffen, sondern eher verstimmt oder gar indigniert. Sein eigener Vater war gestorben, als Kerrich gerade zehn Jahre alt war, und er erinnerte sich der schmerzenden Trauer gut. Wie konnte Miss Lockhart nur so kaltherzig sein? Und warum schaute sein Großvater so bestürzt drein?
    Lord Reynard fragte mit gespielter Herzlichkeit: »Was machen Sie hier bei meinem Enkelsohn? Er ist ein Halunke, müssen Sie wissen. Passen Sie nur auf sich auf.«
    Kerrich hätte fast losgeprustet, kam dann aber seinen Verpflichtungen nach. »Das ist die Gouvernante.«
    »Die Gouvernante.« Lord Reynard schürzte die runzeligen Lippen.
    »Ja, Mylord. Ich verdiene meinen Lebensunterhalt, indem ich Kinder unterrichte.«
    »Gut, gut«, sagte Reynard düster. Er stützte eine Hand auf den Gehstock, die andere auf den Arm seines Enkels. »Ich bin stundenlang in dieser dummen Kutsche herumgerattert, ich muss ein bisschen durchs Zimmer laufen.«
    »Wie Sie wünschen, Sir«, sagte Kerrich.
    Lord Reynard verbeugte sich knapp und würdevoll. »Entschuldigen Sie uns einen Augenblick, Ladys. Und bleiben Sie bitte.«
    Sie machten einen Rundgang durch sein Studierzimmer, vorbei am Schreibtisch und der Sitzgruppe am Feuer. Wie immer war Kerrich über den Verfall des einst hoch gewachsenen, stolzen Ratgebers seiner Jugendjahre bestürzt. Lord Reynards Rücken war mittlerweile so gekrümmt, dass er den Kopf anheben musste, um Kerrich ins Gesicht zu sehen. Seit drei Jahren hängte er sich den dekorativen Gehstock nicht mehr elegant an den Arm, sondern benutzte ihn bei jedem Schritt. Mit jedem Winter war das Rheuma schlimmer geworden, und ein Regentag wie heute ließ ihn humpeln und murren.
    Am hinteren Ende der Bibliothek, außerhalb Miss Lockharts Hörweite, am hohen Fenster einer Nische voller Bücherregale, blieb Reynard stehen und stützte sich mit einer Hand auf den Fenstersims, als sei er erschöpft.
    »Geht es Ihnen nicht gut, Sir?«, fragte Kerrich und legte den Arm um ihn.
    »Es geht mir so gut, wie man es erwarten darf. Die meisten Männer sabbern mit vierundachtzig in ihre silbernen Teetassen und jagen nicht etwa ihren Pflegerinnen ums Bett hinterher.« Er tippte sich mit dem Finger an die Stirn. »Aber hier oben bin ich noch scharf wie ein Eispickel.«
    »Wofür ich sehr dankbar bin.« Normalerweise jedenfalls. Aber unter den derzeitigen Umständen konnte ihm der Scharfsinn seines Großvaters durchaus Verdruss bescheren.
    »Ich bin mit dir hierher gegangen, weil ich dich warnen wollte … Burgess Ripley war charmant, gut aussehend und geistreich. Und er hat Frau und Tochter sitzen lassen. Der Lump hat sie mittellos zurückgelassen.«
    »Großer Gott.« Kerrich betrachtete Miss Lockhart, die vor Beth kniete, ihr die Sachen zurechtzupfte und leise auf sie einredete. Das Kind lächelte sie an, als sei sie der Inbegriff der Schönheit und keine säuerliche Jungfer mittleren Alters. Kerrich hätte es nicht abwegig gefunden, wenn Burgess Ripley sich aus dem Staub gemacht hätte, um seiner verbitterten Tochter zu entgehen. Auch wenn Miss Lockharts Umgang mit dem Kind fast schon entzückend war. »Warum hat er sie verlassen?«
    »Er hatte immer ein Auge auf andere Frauen. Hat dann mit irgendeiner Dirne auf dem Kontinent gelebt. Seine Frau ist gestorben und hat die arme Miss Ripley – oder wie sie sich jetzt nennt, Miss Lockhart – allein zurückgelassen. Das Mädchen dürfte noch keine sechzehn Jahre alt gewesen sein.«
    »Das müsste dann fünfundzwanzig Jahre her sein. Sie sollte mittlerweile darüber hinweg sein.
    »So lange ist

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