Geliebte Betrügerin
blass. »Dein Großvater ist da?«
»Bitte«, flüsterte Kerrich. »Sag ihm nichts.«
Lewis nickte krampfhaft. Kerrich trat einen Schritt zurück und ließ Lewis durch. Kerrich ging durchs Foyer, wo Moulton ihm bedeutete, dass jemand Lewis folgen würde. Worauf er zufrieden in sein Studierzimmer zurückkehrte, zu seinem Cousin, seinem Großvater und seinem Schreibtisch mit dem getürkten Rechnungsbuch.
Lewis stand mit dem Hut in der Hand vor Lord Reynard. »Wie schön Sie zu sehen, Sir! Ich habe nicht gewusst, dass Sie kommen.«
»Das hat keiner gewusst.« Lord Reynard streckte ihm die Hand hin. »In meinem Alter ist ein überraschender Besuch bei der Verwandtschaft der einzige Nervenkitzel, den man noch hinbekommt.«
Lewis nahm die ausgestreckten Finger und drückte sie. Doch für Kerrichs kritischen Blick stellte er sich dabei so linkisch an, als sei es ihm unangenehm. »Und was für eine freudige Überraschung für Kerrich und mich!«
Kerrich sperrte die Schreibtischlade auf und legte mit sorgsam simulierter Beiläufigkeit das Rechnungsbuch hinein. Er ließ den Schlüssel ordentlich im Schloss klirren, sperrte die Lade ab und steckte den Schlüssel ein.
Lewis hatte jede Bewegung beobachtet.
»Du arbeitest jetzt also für Devon«, sagte Lord Reynard. »Ich dachte du selest als Hauslehrer bei … wer war es doch gleich, für den du gearbeitet hast?«
Lewis antwortete ein bisschen zu kurz angebunden: »Lord Swearn.«
»Ich hatte ihn für einen guten Mann gehalten.« Reynard fixierte Lewis. »Aber da kannst du mir offensichtlich nicht zustimmen.«
Lewis hatte wenigstens den Anstand, unbehaglich zu wirken. »Doch, Sir! Lord Swearn hat sich überaus korrekt verhalten.«
»Ich sage immer, die einzige Methode jemanden wirklich kennen zu lernen, ist für ihn zu arbeiten oder ihn zu heiraten. War es dann seine Familie, die dich schlecht behandelt hat?«
Lord Reynard brachte Lewis ins Schwitzen. »Sir, Lord Swearns Familie war sehr großzügig zu mir. Und stets freundlich.«
»Du solltest den ältesten Sohn auf Oxford vorbereiten, nicht wahr?«
»Ja, Sir.«
»Dann ist der junge wohl ein Schwachkopf oder ein Taugenichts gewesen, der die Schuld für seine fehlende Fortschritte bei dir gesucht hat?«
»Nein, Sir. Der junge Mr. Fotherby ist sehr pflichtbewusst gewesen.«
Lord Reynard klopfte mit kleinen, rhythmischen Bewegungen seinen Gehstock aufs Parkett. »Dann begreife ich es nicht. Warum bist du gegangen?«
Mit jeder spitzfindigen Frage verkrampfte sich Lewis mehr. »Ich habe einfach … gedacht … dass es an der Zeit sei, mich in die Dienste des Familienunternehmens zu stellen.«
»Du hast den jungen mitten in seinen Vorbereitungen auf Oxford allein gelassen, um ins Familiengeschäft einzusteigen?« Lord Reynard drehte sich zu Kerrich um, der fasziniert zugehört hatte. »Junge, wir betreiben doch nach wie vor ein Bankhaus, oder?«
»Sicher.«
Er wandte sich wieder an Lewis. »Du hast die Zahlen immer gehasst. Und geschworen, dass du nie im Bankgeschäft arbeiten würdest.«
»Ich bin erwachsen geworden.«
»Hm.« Lord Reynard schaute ihn lange an, dann lächelte er breit. »Schön für dich, Sohn. Freut mich, dass du zu uns gestoßen bist.«
Lewis schien ein wenig verblüfft und entspannte sich langsam wieder.
ja, dachte Kerrich. Diese Fragen waren dir unangenehm, nicht wahr Lewis?
»Danke, Sir«, sagte Lewis. »Wie lange werden wir das Vergnügen Ihrer Gesellschaft haben?«
»Ich habe mich entschlossen, Devons Einladung anzunehmen und eine Zeit lang bei ihm in London zu bleiben. Dachte, ich könnte in den United Service Club gehen und sehen, ob irgendwelche alten Freunde da sind. Dann können wir über die Finanzwelt reden und wie alles den Bach hinuntergeht, seit wir zu alt sind, die Geschäfte zu führen.« Lord Reynard grinste.
Kerrich schwankte zwischen Freude und Entsetzen. Der Himmel wusste, dass Kerrich immer glücklich war, seinen Großvater zu sehen. Doch der Zeitpunkt des Besuchs erschien ihm verdächtig. Lord Reynard hatte sich in letzter Zeit kaum noch aus dem Haus gewagt. Weshalb war er gekommen? War ihm ein Gerücht zu Ohren gekommen? Oder kannte er, Gott behüte, die Wahrheit?
Und wenn Kerrich schon selber durcheinander war, wie beunruhigt musste dann erst Lewis sein, dem Mann, der ihm Oxford ermöglicht hatte, in dem Wissen gegenüberzutreten, dass er gerade dabei war, sein Bankhaus in den Ruin zu treiben und Schande über die Familie zu bringen?
Aber vielleicht war Lewis
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