Geliebte Betrügerin
andere. »Ich weiß, ich sollte bald heiraten, und ich habe auch eine Liste von Eigenschaften aufgestellt, über die meine zukünftige Frau verfügen sollte.«
»Ach?« Lord Reynard hustete. Oder kicherte er etwa? »Erzähl mir von dieser Liste.«
»Ich zeige sie dir.« Kerrich ging zum Schreibtisch und durchsuchte die Papiere, bis er sie gefunden hatte. »Grundvoraussetzungen, eigentlich nur. Dass sie aus guter Familie sein soll, versteht sich von selbst.«
»Ganz von selbst«, bestätigte Reynard.
»Sie sollte genau wissen, was sich gehört, mit den Pflichten einer Gastgeberin vertraut sein, klug sein, fügsam natürlich und es sich zum Lebensinhalt machen, mich zu erfreuen.«
Lord Reynard starrte ihn an und Kerrich sah an seinem Gesichtsausdruck, dass er für das, was er für fortschrittliches Denken gehalten hatte, von seinem Großvater kein Lob erwarten durfte.
Schließlich fragte Lord Reynard: »Warum kaufst du dir nicht einfach einen Collie?«
»Weil ein Collie mir keinen Erben schenkt«, knurrte Kerrich zurück. »Hatte ich erwähnt, dass meine Braut fruchtbar sein sollte?«
»Das ist nun aber schwer festzustellen, ohne schon allzu früh auch die Freuden auszukosten.« Lord Reynard kniff ein Auge zu und legte den Kopf schief. »Von Schönheit hast du nichts gesagt. Ich darf also annehmen, dass du gescheit genug bist, deine Entscheidung nicht von Äußerlichkeiten abhängig zu machen.«
Unwillkürlich hatte Kerrich das Bild der perfekten Frau vor Augen. »Sie sollte lange braune Haare haben, die sich wellen, sobald man sie löst. Schöne Haut mit einem zarten, goldenen Schimmer. Kurven, die jedem griechischen Gott die Sinne rauben. Und die Augen von engelhaftem Blau …«
Lord Reynards Frage brach den Zauber. »Und wie steht es um die Liebe?«
Kerrich winkte ab. »Oh, ich kriege sie schon dazu, sich in mich zu verlieben.«
»Du bekommst jede Frau dazu, dich zu lieben, was?«
Kerrich zuckte die Achseln. »Jeder Mann sollte in irgendeiner Disziplin ein Experte sein, Großpapa.«
»Und Miss Lockhart? Glaubst du, du bist der Herausforderung gewachsen, sie dazu zu kriegen, dich zu lieben?«
»Wenn ich es wollte – allerdings wäre es mir lieber, du würdest ihr meine Absichten nicht verraten.«
»Natürlich nicht! Ich habe zu meiner Zeit so manches wilde Mädchen bezähmt. Das Überraschungsmoment ist essenziell.« Reynard betrachtete den Perserteppich zu seinen Füßen und schien seinen Erinnerungen nachzuhängen. Schließlich hob er den Kopf und fragte: »Hängst du immer noch diesem dummen Entschluss an, selber nie zu lieben?«
Kerrich hätte am liebsten geächzt. Als er im Alter von elf Jahren zum ersten Mal geschworen hatte, niemals zu lieben, hatte Lord Reynard es von der philosophischen Seite genommen und Nachsicht geübt. Doch als die Jahre vergingen und Kerrich an seinem Entschluss festhielt, hatte er mehr und mehr versucht, ihn davon abzubringen. Kerrich verstand Reynards Gründe. Sein Großvater wollte ihn glücklich sehen und er wünschte sich ein paar Enkel. »Ich habe nie eine Frau getroffen, die mich von meinem Entschluss abgebracht hätte.«
»In diesem Fall wärst du auch, so schnell du kannst, in die andere Richtung davongelaufen, Feigling, der du bist.« Lord Reynard ächzte und sank in die Behaglichkeit seines Lehnstuhls zurück. »Diese alten Knochen vertragen das Geholpere einer Kutsche nicht mehr so wie früher. Hol uns den Whisky, mein junge.«
»Der Arzt sagt, Sie sollen keinen Alkohol trinken.« Trotzdem holte Kerrich noch im Sprechen zwei Gläser und die Flasche.
»Verdammter alter Narr«, verfluchte Reynard den Doktor mit der ständig gleichen markigen Phrase. »Ich habe mein Leben lang Whisky getrunken. Nur deshalb bin ich überhaupt noch da, gesund und munter und neunundachtzig Jahre alt.«
»Sie übertreiben schon wieder«, sagte Kerrich sachte, während er die Gläser auf den Tisch zwischen den beiden Stühlen stellte. »Sie sind vierundachtzig.«
»Und ein besserer Mann, als du es je sein wirst.« Lord Reynard sah seinem Enkel beim Einschenken zu. »Ich musste kein Kind adoptieren. Ich habe mein eigenes gemacht.«
»Weil man Sie mit heruntergelassenen Hosen erwischt hat, nur deshalb.« Kerrich reichte ihm das Glas. »Und erst mit vierunddreißig Jahren. Also bleiben mir noch vier Jahre.«
»Ja. Deine Großmutter hat es niemals zugegeben, aber ich glaube, sie hat dafür gesorgt, dass ihr Vater uns erwischt hat. Ich konnte gerade noch zur Tür laufen, als er
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