Geliebte Betrügerin
Stil, wie ich ihn auch für Beth vorgeschlagen habe, würde Ihren mächtigen Torso ein wenig in seiner Wirkung reduzieren.« Wobei sich bei näherer Betrachtung allerdings zeigte, dass sich unter ihrem schlecht sitzenden Gewand ein schöner Körper zu verbergen schien, der nicht das Resultat eines raffinierten Korsetts war.
»Sie haben mich vermutlich nicht verstanden, Mylord. Es wäre inakzeptabel, dass ich ein Kleid von Ihnen annehme.«
»Ein hübsches, helles Blau wäre kein ganz so harter Kontrast zu Ihrer außerordentlich blassen Haut.« Großer Gott, das da in der Falte an ihrem Hals sah aus wie eine Schliere aus Reispuder. Sie legte doch nicht tatsächlich Puder auf, um sich noch blasser zu machen!
Er besah sich Miss Lockhart ganz genau. Doch es stimmte. Sie trug Reispuder und knallrotes Rouge, falls er sich nicht irrte – und wann tat er das je? Großer Gott, er hatte schon viele Frauen gesehen, die sich mit schlimmen Folgen angemalt und eingepudert hatten. Aber nie zuvor hatte er eine Frau gesehen, die derart unter einer Schicht aus Farbe verschwunden war.
»Lord Kerrich, dürften wir Sie bitten, sich hinsichtlich des neuesten Kleidchens zu entscheiden.« Miss Lockhart klang trotz Kerrichs bohrender Blicke gelassen, doch wieder straften die fahrigen Hände die Stimme Lügen. Sie zog eine silberne Männertaschenuhr aus dem Kleid und öffnete sie, als sei ihr Zeitplan durcheinander geraten. Was er vermutlich auch war und woran vermutlich auch wieder Kerrich schuld war.
Beth trug genau den hellen Blauton, den er sich für Miss Lockhart vorgestellt hatte. Ein Batistkleid mit langem Rock, langen Ärmeln und weißer Spitze an Kragen und Stulpen. Beths Augen leuchteten, sie tastete ehrfurchtsvoll den Stoff ab. »Ich hab kein gebügeltes Kleid mehr angehabt, seit Mutter gestorben ist, und heute waren alle Kleider gebügelt.«
Miss Lockhart steckte die Uhr zurück und räusperte sich, als hätte sie einen Kloß im Hals. »Von jetzt an werden wir dafür sorgen, dass deine Kleider alle gebügelt werden.«
»Ja! Oh, bitte.« Beth wirbelte schon wieder auf Zehenspitzen herum.« Bei Lord Kerrich tragen sogar die Küchenmädchen gebügelte Schürzen!«
»Und die Küchenmädchen baden auch einmal in der Woche.«
Beth zog eine Grimasse, dann zuckte sie die Achseln. »Ganz wie Sie wünschen. Solange wie ich dieses feine Zeug anziehen darf.« Das Kind wusste, wie man verhandelte. Kerrich bewunderte das.
»Kein ›Zeug‹, sondern Kleider, Sachen, Staat, Aufmachung.«
Und Miss Lockhart wusste, welche Schlachten es wert waren, geschlagen zu werden. Auch das bewunderte Kerrich.
Er wusste ebenfalls seine Schlachten zu wählen, und mit Miss Lockhart zu streiten, ob sie ein Kleid von ihm annehmen würde, war wunderbar. Für den Moment hatte er kapituliert, doch wenn Miss Lockhart ihn einigermaßen verstanden hatte, wusste sie um die Gefahr.
Glücklicherweise hatte Miss Lockhart ihn nicht im Geringsten verstanden.
Sie saßen schweigend da, während Beth sich erneut umzog. Miss Lockhart holte wieder einmal das Strickzeug heraus. Langsam fragte er sich, ob sie nicht allein deshalb strickte, um ihre Nervosität zu verbergen. Und nicht etwa, weil sie fest glaubte, dass Untätigkeit die Verderbtheit fördere.
»Was stricken Sie denn da, Miss Lockhart?«
»Ein Schultertuch, Lord Kerrich.«
Glatt und einfach. Stricken war die Arbeit der Bauern, und er hätte darauf gewettet, dass Miss Lockhart kaum Erfahrung mit der Strickerei hatte. »Wie lange stricken Sie denn schon, Miss Lockhart?«
Ihr Zögern verriet sie. »Jahre.«
»Dann müssen Sie viele Stücke haben, die Sie uns zeigen können.«
»Nein, Mylord.«
Ha! Er hatte sie erwischt. »Warum nicht, Miss Lockhart?«
»Ich gebe die Sachen den Wohltätigkeitsverbänden.«
Sie klang wie die strenge, ältliche Miss Lockhart, doch als er ihren Fingern genauer zusah, bemerkte er, wie die Stricknadeln einander bekämpften und die schwarze Wolle sich verknotete.
Kerrich lächelte. Wie schön, eine derart gefasste Frau durcheinander bringen zu können.
Dann tanzte in einem weißen Rüschenkleid mit blauer Samtschärpe Beth herein.
Kerrich bedeutete ihr, sich herumzudrehen. »Sie wird wohl etwas wie das für die Nachmittagsgesellschaften brauchen. Aber eines reicht. Für ihr Alter ist mir an diesem Kleid zu viel Firlefanz, der nur von ihrem hübschen Gesicht ablenkt. Sie braucht etwas Schlichtes.«
»Oui, Mylord«, sagte Madame Beauchard und lächelte gierig. »Wie immer
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