Geliebte Betrügerin
haben Sie Recht. Von jetzt an meiden wir die Rüschen.«
»Aber das hier darf ich behalten?« Beth stand auf den Zehenspitzen des einen Beins, dann auf den Zehenspitzen des anderen, wie eine Ballerina, die es nicht erwarten konnte zu tanzen.
»Ja, das nehmen wir«, sagte Kerrich.
Beth knickste grinsend, lief zum Spiegel und drehte eine Pirouette, bevor sie wieder in der Umkleide verschwand.
»Verdammt, ich fürchte, ich muss mit ihr ins Ballett gehen.« Kerrich seufzte schwer. »Ich kann Ballett nicht ausstehen. All diese Mädchen, die auf Zehenspitzen herumtanzen. Wie Großvater immer sagt: Wenn sie größere Mädchen haben wollten, warum haben sie dann keine größeren Mädchen engagiert?«
»Ich nehme an, das sollte ein Witz sein?«, fragte Miss Lockhart.
»Mein Großvater glaubt das Jedenfalls.«
»Dann lache ich eben, wenn er es von mir verlangt.«
Warum behandelte sie ihn so? Bei allen anderen schien sie eine liebenswürdige Frau zu sein. In der kurzen Zeit, die sie im Stall gewesen waren, hatte sie es sogar geschafft, die Stallburschen zu bezaubern. Aber ihn mochte sie nicht. Wo er doch solch ein genialer Mann war. Freundlich. Rücksichtsvoll.
Er erheischte einen kurzen Blick auf sich selbst im Spiegel. Gut aussehend. Umwerfend. Das konnte sie ihm doch nicht zum Vorwurf machen, oder etwa doch? Sie konnte doch nicht alleine deshalb annehmen, dass er aus demselben Holz geschnitzt war wie ihr Vater?
Er nahm sich vor, sie zu fragen. Doch als er sich ihr zuwandte, um ihr ernst in die Augen zu sehen, erblickte er in den gefärbten Gläsern nur sein eigenes Spiegelbild. Er hätte sie ihr am liebsten abgenommen und sagte gereizt- »Es fällt mir schwer, zu diesen Augengläsern zu sprechen.«
»Dann reden Sie doch mit mir.«
Das Nadelgeklapper hatte sich gelegt; anscheinend fand sie es beruhigend genug, Kerrich anzufauchen.
»Warum tragen sie diese Dinger?«
»Weil ich muss«, antwortete sie.
»Dann können Sie ohne Augengläser nicht sehen?« Er griff nach dem metallenen Rand. »Wie schlecht sind Ihre Augen?«
Sie zuckte zurück und wehrte seine Hand mit dem Arm ab. »Ich sehe nicht allzu schlecht, aber das Licht schmerzt meine Augen.«
»Sicherlich nur das Sonnenlicht.«
»Jedes Licht.«
Er sah sie hinter gefärbten Gläsern schuldbewusst seinem Blick ausweichen. Das Weibsstück log! Er konnte sich nicht vorstellen, warum, und er hatte keinen Bedarf an dieser Art von Hinterlist. Ein Kind, eine Gouvernante, eine Geldfälscherbande, die Königin mit ihren hässlichen Drohungen …
Er verfolgte ein Ziel, das Miss Lockhart nicht gutheißen konnte. Also …
»Das letzte Kleid war recht hübsch.«
»Sehr hübsch.«
»Dann soll sie es anziehen, wenn wir unseren Empfang geben, um Beth den anderen Kindern vorzustellen.«
»Das ist eine hervorragende Idee, Mylord.« Miss Lockhart strahlte – aber nur kurz. »In etwa einem Monat -«
»In einer Woche.«
»Eine Woche reicht mir nicht, um sie vorzubereiten.«
»Und ich habe keinen Monat.«
»Mylord, das hier ist kein Spiel.«
»Ich fange an zu befürchten, dass Sie diejenige sind, die genau das noch nicht begriffen hat, Miss Lockhart. Eine Woche, anderenfalls nützen Sie und Beth mir nichts mehr, und ich setze Sie beide auf die Straße!«
Kapitel 11
Pamela erwachte mit panischem Schrecken und setzte sich auf. Irgendjemand hatte Angst, durchlitt einen Albtraum, schrie. Beth.
Pamela blinzelte ins trübe Licht der Kerze, die die Nacht über in einem Wandleuchter flackerte.
Kerrichs Haus. Das Kinderzimmer. Beth.
Sie erhob sich hastig, wickelte sich in ihren Morgenmantel, nahm die Kerze und eilte ins Schlafzimmer nebenan, wo sie das Mädchen fand. Beth war mittlerweile aufgewacht, saß kerzengerade im Bett und zerrte sich die Decke bis unters Kinn. Sie starrte geradeaus und kämpfte bebend, aber so diszipliniert gegen die Phantome der Nacht an, als sei ihr diese Kraftanstrengung vertraut.
»Beth.« Pamela steckte die Kerze in den Wandhalter und setzte sich bedächtig neben das Mädchen auf die Matratze, um das Kind nicht weiter zu verschrecken. »Ich bin es, Miss Lockhart.«
Beth schaute sie mit derart weit aufgerissenen Augen an, dass um die Iris herum das Weiße zu sehen war, und nickte ihr krampfhaft zu. Sie erkannte ihre Gouvernante, doch ihre Zähne waren fest zusammengebissen. Sprechen konnte sie nicht.
Pamela strich ihr zärtlich das Haar aus der Stirn. »Du bist wieder wach, und was immer dir im Traum erschienen ist, ist fort.«
Beth
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