Geliebte Betrügerin
anderes!«, sagte die Dame, die einst auf Kerrichs Liste passender Heiratskandidatinnen gestanden hatte.
»Ah.« Kerrich hob das Monokel und begutachtete Lady Pitchford verächtlich. »Aber Beth ist zwei Jahre jünger, um einiges leichter und ein Mädchen dazu. Wollen Sie behaupten, dass mein Mädchen Ihren Sohn verprügelt hat?«
»Sie ist im Vorteil«, sagte Lady Pitchford. »Sie ist ein Gassenkind.«
Die Verärgerung wischte Kerrichs gut gelaunte Fassade ab. Niemand beleidigte
sein
Findelkind! »Sie ist kein Gassenkind. Sie ist die Tochter einer respektablen Familie. Ihr Vater hat mir das Leben gerettet, und ich habe mir meine liebe Beth nicht aus Wohltätigkeit ins Haus geholt, sondern aus Dankbarkeit für den heldenhaften Geist, der in ihr weiterlebt.« Er schaute provozierend die Gästeschar an. »Ich würde es schlecht aufnehmen, sollte irgendwer so weit sinken, dieses liebe Mädchen zu verunglimpfen.«
Keiner der Gäste im Salon ließ sich auf die Provokation ein. Man murmelte teilnahmslos, fand sich in kleinen Gruppen zusammen, beredete das Wetter und die neueste Mode. Die Gouvernanten eilten zu ihren Schutzbefohlenen und flatterten aufgeregt herum, um ihre Unachtsamkeit von gerade eben wieder wettzumachen. Und Miss Lockhart half Chlswick auf die Beine und wischte noch einmal seine Kleider sauber.
»Er ist unverletzt«, hörte Kerrich Miss Lockhart zu Lady Pitchford sagen. »Trotzdem wäre es das Beste, ihn nach Hause zu bringen, damit die Wäscherin seinen Anzug reinigen kann.«
»Seine Lieblingssachen!« Lady Pitchfords Stimme bebte.
Die Dame und ihr Sohn taten Kerrich nicht Leid. Er ließ das Monokel an der Silberkette baumeln und sagte: »So schwerfällig wie er ist, muss er sich ohnehin dreimal am Tag umziehen. Am besten verbieten Sie ihm die Süßigkeiten, sonst bekommt sein Pferd noch Rückenschmerzen.«
Miss Lockhart zog ihn zur Seite und maßregelte ihn wie ein Racheengel, aber mit ruhiger Stimme. »Mylord, kein Wort mehr davon. Der Junge ist nicht taub, und derart ungehörige Bemerkungen beschädigen einen schwachen Charakter nur noch mehr.«
»Aber er hat Beth beleidigt.«
»Ich weiß. Aber ein Bursche, der mit Härte erzogen wird, lernt auch nur Härte kennen. Und man kann nur darüber spekulieren, welche Art von Leben solch einen armen Tropf hervorgebracht hat.«
»Sie sind sehr mitfühlend, aber dafür gibt es keinen Grund, wie ich meine. Der junge ist einfach verwöhnt.«
»Vielleicht.« Sie trat näher heran. »Aber ich konnte genauso gut sehen wie Sie, was Beth angestellt hat. Also bekunden Sie Lady Pitchford und Lord Chlswick Ihre Anteilnahme, wenn die beiden sich verabschieden.«
Zu Recht getadelt zu werden, bereitete nicht mehr Vergnügen, als zu Unrecht, stellte Kerrich fest. Tatsächlich war es sogar schlimmer, weil er tatsächlich im Unrecht war – eine Lage, in der er sich selten wiederfand.
Miss Lockhart ließ ihn stehen und ging zu Beth. »Komm, Liebes«, hörte er sie sagen. »Wir sollten unseren Gast verabschieden und der Hoffnung Ausdruck geben, dass sein nächster Besuch friedlicher verläuft.«
Zu Kerrichs Überraschung verlief die Verabschiedung unter Miss Lockharts eisernem Regiment reibungslos. Beth erfüllte ihre Pflichten als Gastgeberin mit Leichtigkeit, und Chlswick winselte nur kurz, als Beth ihm die Hand hinstreckte.
Obwohl Kerrich es hasste, den Eindruck zu erwecken, als gehorche er Miss Lockhart, folgte er Lady Pitchford und ihrem Sohn ins Foyer, entschuldigte sich für den unglückseligen Vorfall und gab seiner aufrichtigen Hoffnung Ausdruck, sie würden eines Tages wieder zu Besuch kommen.
Aber das Schlimmste kam erst, als sich die Eingangstür hinter den beiden schloss und Miss Lockhart zufrieden sagte: »Gut gemacht, Mylord. Das war außerordentlich hochherzig und manierlich von Ihnen.«
Er hob das Monokel, starrte sie an und sagte mit vernichtendem Sarkasmus: »Miss Lockhart, ich weiß nicht, was ich überhaupt getan habe, bevor Sie hier waren.«
»Ich weiß es auch nicht, Mylord.« Sie raffte die Röcke und folgte Beth ins Zimmer der Kinder. »Sie dürfen sich später bei mir für die Unterweisung bedanken, Lord Kerrich.«
Kapitel 12
Diese Frau! Der Ärger fraß Kerrich fast auf. Miss Lockhart hatte entweder nur seinen Sarkasmus erwidert, oder – was schlimmer gewesen wäre – sie glaubte ernsthaft, dass er in ihrer Schuld stand. Er schritt durch den Salon, lächelte mit geheuchelter Leutseligkeit seinen Gästen zu und bemerkte kaum,
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