Geliebte Betrügerin
Es sieht einigermaßen akzeptabel aus, wenn auch ein wenig leerer. Ich habe abgesperrt, weil man sonst ein paar von den Mädchen im Auge behalten müsste. Sie sind unglaublich neugierig.«
Schließlich stellte Kerrich die Frage, die er hatte stellen wollen, seit er zur Tür herein war. »Wo ist Miss Lockhart?«
Moulton erwies sich einmal mehr als exzellenter Spürhund und war bestens informiert. »Sie ist oben mit dem Kind«, sagte er. »Soll ich nach ihr schicken?«
»Sie möchte in den Salon kommen.«
Als Kerrich den Salon betrat, fragte er sich, weshalb er sie nicht ins Spielzimmer oder in die Lounge oder in den Ballsaal bestellt hatte. Er konnte sich nicht entspannen im Salon. Er konnte sich nicht einmal setzen. Seine Mutter hatte den Raum eingerichtet. Er hatte alles unverändert gelassen, damit er sich immer an den Tag nach Vaters Tod erinnerte, als er Mutter hier in den Armen eines Fremden überrascht hatte. Warum hatte er Pamela ausgerechnet hier im Salon treffen wollen? Wollte sein Unterbewusstsein ihn warnen, keine Frau zu heiraten, die jene Gefühle in ihm weckte, denen er ständig aus dem Weg gegangen war?
Er hatte sich seine Frau früher als wenig intelligent und durchschnittlich hübsch ausgemalt. Eine, die das Denken ihm überließ. Eine, die weder für andere Männer noch für ihn selbst eine Versuchung war. Pamela war nicht, was ihm vorgeschwebt war. Zudem würde sie erleichtert sein, wenn er sein Vorhaben, sie zu heiraten, aufgab. Also warum nicht einfach …
»Mylord, Sie haben nach mir geschickt.«
Ihr schroffer Ton riss ihn aus seinen eigensinnigen Überlegungen. Sie waren beide da – die sachliche, geradlinige, scharfsinnige Miss Lockhart und die schöne, leidenschaftliche, zu allem entschlossene Pamela. Zwei Frauen, vereint in einer perfekten Frau. Der Frau, die er besitzen wollte. jedes Mal wenn er Pamela sah, war er sich seiner Sache wieder ein Stück sicherer. Er musste sie haben.
Er musste nur dafür sorgen, dass sie nie herausfand, wie sehr er sie brauchte.
Sie trug immer noch diese Witwengewänder mit den bauschigen Schultern und der weiten Taille. Ihr Haar war so straff zurückgekämmt wie eh und je, und auch die Stricknadeln waren wieder an ihrem Platz – als ob das seine Leidenschaft gebremst und die ihre verborgen hätte. Sie hatte die Stirn in jene grimmigen Falten gelegt, die sich in ihrer Rolle als sauertöpfische Miss Lockhart so gut bewährt hatten. Dummerweise verbargen Kleid und Frisur nur notdürftig ihre Figur und ihren Liebreiz. Und ohne die entstellende Schminke gaben die Stirnfalten den ebenmäßigen Gesichtszügen eine pikante Note und Kerrich das Bedürfnis, sie fortzuküssen. Vermutlich würde er jedes ihrer Mienenspiele immerzu küssen wollen.
Er hielt ihr die Rose hin und sagte: »Ich habe Sie vermisst.«
Sie machte die Augen zu, allerdings nicht in Ekstase. »Mylord, wir sind übereingekommen, dass jene Nacht eine Verirrung war, die sich nicht wiederholen darf. Ich muss Sie bitten, nichts in dieser Art zu sagen.«
Aber dazu war Pamela bei weitem zu klug, zu kess, zu selbstsicher, und sogar in dieser lächerlichen Aufmachung noch zu schön, um sehr vieles zu schön. Er machte sich die geschlossenen Augen zu Nutze und kam näher. »Ich liebe es, Sie um etwas bitten zu hören.«
Pamela riss die Augen auf und tat einen Satz nach hinten.
Ah, sie war nicht halb so unzugänglich, wie sie tat. Und so, wie sie ihn ansah, war da eine Menge Gefühl, auch wenn das meiste davon blankes Entsetzen war.
»Tiefe und Leidenschaft liegen im Duft der Rose.« Er hielt ihr die Blüte unter die Nase. »Stimmen Sie mir da nicht zu?«
»Man muss lange suchen, bis man jemanden findet, der Rosenduft nicht mag.«
Er strich die Blüte über ihr Kinn. »Der Duft erinnert mich an einen übersinnlichen Abend, den ich mit der Frau erlebt habe, die ich zu heiraten gedenke.«
Sie versuchte, die Luft anzuhalten. Sie versuchte es, aber sie schaffte es nicht. Nicht, wenn sie sagen wollte, was gesagt werden musste.
»Ich möchte nicht an diesen Abend erinnert werden, und ich werde Sie auch nicht heiraten.« Sie holte Luft und füllte die Lungen mit Rosenduft. »Sie haben nach mir geschickt, Mylord?«
»Ich möchte einen Kuss von Ihnen.« Und bevor sie noch protestieren konnte, setzte er hastig hinzu: »Die Reise war recht unerfreulich. Es gibt Probleme in der Bank, zusätzlich zu den Schwierigkeiten, die Queen Victoria mir angedroht hat. Ich habe eine Betrügerei aufgedeckt, die mir
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