Geliebte Betrügerin
Lockhart.«
»Aber dein Glück ist mir wichtiger als Lord Kerrichs plötzliche Wünsche.«
»Mir geht es ganz prima. Gehen Sie ruhig.« Sie betastete die nächste Locke mit den Fingern und sagte: »Corliss, die will ich immer haben.«
Die Mädchen lachten und Corliss sagte: »Wirklich, Miss Lockhart, Sie brauchen nicht hier zu bleiben. Wir haben Beth fertig, bis es an der Zeit ist, zu Ihrer Majestät zu fahren. Und Sie können dem Hausherrn nicht seine Wünsche abschlagen.«
Einen Moment lang packte Pamela das Entsetzen. Wusste denn jeder hier, dass sie Kerrich nichts abschlagen konnte?
Aber Corliss hatte nur gemeint, dass Kerrich sie
sprechen
wollte. »Nein, vermutlich nicht.«
Sie erhob sich widerwillig, bahnte sich einen Weg zur Tür und ging auf den Korridor hinaus.
Moultons Stimme kam leise aus dem Schatten. »Hier entlang, Miss Lockhart.«
Pamela schnappte erschrocken nach Luft. »Bitte um Verzeihung, Miss. Aber Lord Kerrich hat mich angewiesen, Sie zu ihm zu begleiten.« Er ging mit ihr den langen Gang mit den vielen Kerzen und den Rosen auf jedem Tisch hinunter. Dann in die Galerie, wo auf dem blanken Holzboden die Absätze klackten. An farbenprächtig ausgestatteten Gästezimmern vorbei, durchs Spielzimmer mit dem Billardtisch und schllißlich in den Flügel, der von der Familie bewohnt wurde. Und wo auch die Schlafzimmer waren.
Pamelas Wangen glühten. Kerrich wollte doch nicht etwa, dass sie zu ihm ins Schlafzimmer kam … oder doch? Nur weil sie ihm gestern eine unschickliche Einladung gegeben hatte, nur weil dummerweise sein Großvater in der Bibliothek gewesen war, nur weil Kerrich und sie frustriert den Rückzug hatten antreten müssen? Das war noch lange kein Grund, sie einzubestellen, wann immer ihm danach war! Hatte er sie im Angesicht seines Großvaters nicht schon genug gedemütigt?
Moulton blieb vor der Doppeltür zu Kerrichs Sulte stehen und riss die Flügel auf. Er trat einen Schritt zurück und verbeugte sich.
Die Wangen hochrot, die Lippen zum Strich gepresst und die Finger ineinander verknotet, sah Pamela ihn an.
»Nein, Miss!«, rief Moulton aus. »Es ist nicht so, wie Sie denken! Niemand außer mir weiß, wo Sie sind und ich würde doch nie … Ich bin die personifizierte Diskretion.«
Es gab keinen Zweifel. Er war die personifizierte Diskretion. Anderenfalls hätte die Kunde von Pamela Lockharts tiefem Fall mittlerweile schon in ganz London die Runde gemacht. Sie zögerte immer noch. Dann trat Kerrich unter die Tür. Er war noch nicht umgekleidet, trug ein einfaches weißes Hemd mit hochgerollten Ärmeln, eine Hose und keine Stiefel dazu und ein schelmisches Grinsen im Gesicht.
»Kommen Sie herein. Wir haben nicht mehr viel Zeit.«
Die Worte waren zweideutig, die Miene nicht.
»Hören Sie auf, so finster dreinzuschauen. Ich habe eine Überraschung für Sie, Miss Lockhart.«
Pamela blieb entrüstet und auf eine Auseinandersetzung eingestellt, aber sie trat vorsichtig ein.
»Nicht die Art von Überraschung, die Sie offensichtlich im Sinn haben.«
Er ging um sie herum, trat hinter sie und legte die Hände auf ihre Schultern. Er hörte sich so glücklich an, und Pamela wünschte sich, irgendwo anders zu sein, nur nicht hier. Sie hatte den starken Verdacht, dass Kerrich glaubte, sie werde zum Empfang mitkommen.
Ein Verdacht, der sich im selben Moment bestätigte. »Ich hatte gehofft, Sie noch rechtzeitig abzupassen, bevor Sie sich fertig machen.«
Moulton schloss hinter ihr die Tür und ließ sie mit Kerrich in der reich dekorierten Suite allein. Überall brannten Kerzen und im Kamin ein Feuer, auf dem Tisch neben dem bequemen Armsessel stand ein Rosenbukett. Pamela blickte sehnsüchtig zur Tür.
»Ich habe etwas für Sie.« Kerrich nahm ihre Hand, küsste sie umständlich und zog sie zum Bett. Das prächtig geschnitzte, antike Monstrum war mit schweren, blau und purpur gemusterten Vorhängen behängt, mit goldenen und scharlachroten Akzenten.
Auf der Tagesdecke lag ein Kleid. Ein hinreißendes Kleid. Ein angemessenes Kleid. Ein perfektes Kleid aus leuchtendem, silbergrauem Taft mit rosa Taft und Spitze am dezenten Dekolleté. Die Ärmel waren nach unten ausgestellt und ebenfalls mit Rosa und Spitze dekoriert, genau wie der Saum des Rocks. Wenn man sie hätte wählen lassen, welches Kleid sie zu einem Empfang bei der Königin tragen wollte, sie hätte dieses genommen – ihr sank das Herz.
»Das hier ist mein Lieblingsstück«, sagte er. »Aber ich habe Madame Beauchard
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