Geliebte der Finsternis
Michelle über das ganze Gesicht.
»Fühlst du dich wirklich gut genug, Cass?«, fragte Kat misstrauisch.
»Ganz sicher. Letzte Nacht konnte ich nicht so gut schlafen. Deshalb wollte ich mich jetzt ein bisschen ausruhen.«
Kat schnaufte verächtlich. »Nur wegen dieses ›Beowulf‹, den du zusammen mit Chris gelesen hast! Der Kerl saugt alle Energien aus dir heraus. Beowulf - Inkubus - ein und dasselbe.«
Damit kam sie für Cassandras Geschmack viel zu nahe an die Wahrheit heran.
»Ja …« Cassandra lachte nervös. »In ein paar Minuten bin ich fertig.« Sie schloss die Tür und wandte sich zu ihren zerknitterten Kleidern.
Was ging hier vor? War Beowulf wirklich ein Inkubus?
Vielleicht.
Entschlossen verdrängte sie den lächerlichen Gedanken, hob ihre Kleider auf und warf sie in den Wäschekorb. Dann schlüpfte sie in Jeans und einen dunkelblauen Pullover.
Ehe sie ihr Zimmer verließ, spürte sie ein eigenartiges Prickeln in der Brust. In dieser Nacht würde etwas passieren. Das wusste sie. Wenn sie auch nicht die übernatürlichen Kräfte ihrer Mutter besaß, ahnte sie doch voraus, wenn etwas Gutes oder Schlechtes geschah.
Unglücklicherweise konnte sie nicht rechtzeitig feststellen, ob es erfreulich oder unangenehm war.
Eins stand jedenfalls fest - irgendetwas würde sich in dieser Nacht ereignen.
5
»Willkommen in kolasi «, murmelte Stryker, das atlantäische Wort für »Hölle« benutzend. Aufmerksam musterte er die Anführer seines Daimon-Heeres, das stets bereit war, auf sein Kommando diesen oder jenen Feind anzugreifen.
Seit elftausend Jahren befehligte der Sohn der atlantäischen Zerstörerin seine Armee.
Von der Zerstörerin höchstpersönlich erwählt und von Stryker ausgebildet, waren all diese Daimons Elitekiller. Ihre Brüder nannten sie Spathi-Daimons - eine Bezeichnung, die sowohl die Apolliten als auch die Dark Hunter in Misskredit gebracht hatten, weil sie nicht verstanden, welche Fähigkeiten ein echter Spathi besaß.
Stattdessen wandten sie den Namen auf alle Spathis an, die gegen sie kämpften - zu Unrecht. Denn ein richtiger Spathi stellte etwas ganz anderes dar.
Sie waren keine Kinder Apollos, sondern dessen Feinde, ebenso die Feinde der Dark Hunter und der Menschen. Schon vor langer Zeit hatten sie allem abgeschworen, was mit ihrem griechischen oder apollitischen Erbe zusammenhängen mochte.
Als die letzten Atlantäer blickten sie voller Stolz auf ihre Herkunft zurück.
Zu Tausenden existierten sie, was weder die Dark Hunter noch die Menschen wussten. Sie waren viel älter, als es armselige Menschen, Apolliten oder Dark Hunter für ihre
Gattungen zu erträumen wagten. Während sich die schwächeren Daimons auf der Erde versteckten, benutzten die Spathis lamina oder spezielle Schlupflöcher, um aus ihrem Reich in die Welt der Menschen einzudringen.
Ihre Heimat lag in einer anderen Dimension. In Kalosis, wo die gefangene Zerstörerin residierte, wo Apollos tödliches Licht niemals schien. Sie waren ihre Soldaten - ihre Söhne und Töchter.
Nur wenige Privilegierte durften die lamina aus eigener Kraft nutzen. Dieses Geschenk vergab die Zerstörerin nicht allzu oft. Als ihr Sohn konnte Stryker kommen und gehen, wie es ihm beliebte. Doch er zog es vor, in der Nähe seiner Mutter zu bleiben.
So wie in den letzten elftausend Jahren.
Die ganze Zeit hatten sie diese Nacht geplant. Bereitwillig hatte Stryker seine Mutter umarmt, nachdem sie von Apollo verflucht worden waren. Mit diesem Fluch hatte der Gott einen Teil seiner Kinder zu einem grausigen Tod verdammt.
Aber Apollymi hatte Stryker gezeigt, wie man dem grausigen Schicksal zu entrinnen vermochte. Indem die Apolliten menschliche Seelen in ihren Körpern aufnahmen, überlebten sie, obwohl ihr Vater entschieden hatte, sie müssten an ihrem siebenundzwanzigsten Geburtstag sterben.
» Ihr seid meine Auserwählten«, hatte sie verkündet. » Kämpft für mich, und die Welt wird wieder den atlantäischen Göttern gehören.«
Seit jener Stunde hatten Apollymi und Stryker ihr Heer sorgfältig aufgebaut. Die drei Dutzend Generäle, die ihren Oberbefehlshaber jetzt im »Bankett«-Saal umringten, waren die allerbesten Krieger. Angespannt warteten sie auf eine Nachricht von ihrem Spion, auf die Information,
wann die verschwundene Erbin wieder erscheinen würde. Den ganzen Tag hatte sie sich außerhalb ihrer Reichweite befunden.
Doch nun war die Sonne untergegangen, und sie würde erneut auftauchen.
Jeden Moment mochte es so
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