Geliebte der Finsternis
ich ihr.«
»Aber ich dachte, du dienst Artemis«, wandte Cassandra ein.
»Nun - ich diene beiden.«
Den Kopf schief gelegt, starrte Cassandra ihre Freundin an. Jahrelang hatte sie geglaubt, sie würde Kat kennen. Wie sie jetzt feststellen musste, wusste sie überhaupt nichts über diese Frau. »Noch eine Frage …« Wachsende Furcht verengte ihre Kehle. »Was geschieht, wenn du in einen Interessenkonflikt gerätst, Kat? Wem würdest du gehorchen?«
11
»Ist die Antwort nicht offensichtlich?«, fauchte Kat entrüstet. »Ich bin hier, oder?«
»Ja, gewiss - aber stehst du auf meiner Seite?« Nun geriet auch Cassandra in Wut. »Jedes Mal, wenn ich mich umdrehe, scheint sich ein Daimon an meine Fersen zu heften. Und jeden Tag höre ich eine weitere wichtige Neuigkeit über dich, die du mir in den letzten - oh, fünf Jahren wohlweislich zu erzählen vergessen hast.«
Gekränkt wandte Kat sich ab. »Zweifelst du tatsächlich an mir? Das fasse ich nicht.«
»Cassie …«
»Misch dich da nicht ein, Phoebe!«, fauchte Cassandra. »Warum hast du mir verheimlicht, dass du noch lebst? Eine Postkarte hätte dich sicher nicht umgebracht … Moment mal, das sollte kein schlechter Scherz sein.«
Phoebe warf ihr einen vorwurfsvollen Blick zu. »Wage es bloß nicht, in diesem Ton mit mir zu reden! Nach allem, was Urian und ich für dich riskiert haben! Wahrscheinlich ermorden sie ihn gerade!«
Die bebende Stimme ihrer Schwester brachte Cassandra zur Besinnung, und sie beruhigte sich. »Tut mir leid, Phoebe - Kat. Ich fürchte mich einfach nur.«
Bedrückt stand sie auf und ging zum Fahrersitz. Wulf drosselte das Tempo, bis sie bequem auf seinem Schoß saß. Nun fühlte sie sich endlich geborgen und sicher. Rückhaltlos vertraute sie ihm.
»Keine Bange, Cassandra, dir wird nichts zustoßen«, beteuerte er, die Lippen in ihrem Haar, laut genug, um den dröhnenden Motor des Boots zu übertönen.
Da schmiegte sie sich noch fester an ihn und atmete seinen warmen, maskulinen Geruch ein, während sie in eine Zukunft rasten, die ihr kalte Angst einjagte.
Der Morgen begann zu dämmern. Das spürte Cassandra. Schweigend saß sie neben Wulf in der aufwendigen Spezialanfertigung eines Landrovers. Gegen das Tageslicht war sie immun, aber es würde Wulf und ihrer Schwester empfindlich schaden. Chris schlief auf dem Rücksitz zwischen Phoebe und Kat, sein Kopf lag auf den Schultern des Bodyguards, der nervös aus dem Fenster spähte.
Vor über einer Stunde hatten sie das Boot verlassen, nun fuhren sie in einem für jedes erdenkliche Gelände geeigneten Landrover zu einem Ziel, das Phoebe nicht nennen wollte. Stattdessen gab sie Wulf nur die erforderlichen Anweisungen.
»Wie weit ist es noch?«, fragte Cassandra.
»Bald sind wir da.« Phoebes unsichere Stimme strafte ihre Worte Lügen.
Um Trost zu suchen, griff Cassandra nach Wulfs Hand. Besänftigend drückte er ihre Finger. Aber er sagte nichts.
»Werden wir es schaffen, bevor die Sonne aufgeht?«, wandte sie sich wieder an ihre Schwester.
»Nun, es wird knapp«, murmelte Phoebe. Noch leiser fügte sie hinzu: »Wirklich knapp.«
Cassandra beobachtete Wulf. Mit zusammengekniffenen Lidern steuerte er den Land Rover. Um seine Augen vor dem Schnee zu schützen, trug er seine Sonnenbrille. Die Nacht war so dunkel, dass sie fürchtete, er würde nicht genug sehen. Sein mit Bartstoppeln bedecktes Kinn
wirkte angespannt. Wenn sie ihm auch keine Sorgen anmerkte, entging ihr doch nicht, wie oft er auf die Uhr am Armaturenbrett schaute.
Mit einem stummen Gebet flehte sie, die Fahrt möge ein Ende finden, bevor Wulf in den tödlichen Sonnenschein geriet.
Dann verdrängte sie den Gedanken. Von dieser schrecklichen Angst durfte sie sich nicht überwältigen lassen. Sie blickte auf ihre Hand hinab, die von einem schwarzen gestrickten Handschuh verhüllt in seiner lag. Bewundernd musterte sie Wulfs entblößte, kraftvolle Finger - die Hand eines Kriegers, der sie beschützte.
Wer hätte jemals gedacht, dass sie in einer feindlichen Rasse einen Freund und Liebhaber finden würde?
Während sie an seiner Seite saß, wusste sie, dass nur er allein ihr Baby in Sicherheit bringen konnte. Um das Kind zu retten, würde er sterben. Diese Erkenntnis durchbohrte ihr Herz wie ein Dolch. In wachsender Nervosität blickte sie zum Himmel auf, der sich allmählich erhellte.
Nein, er durfte nicht sterben. So grausam wären die Schicksalsgöttinnen nicht.
Sie ließ ihn los und zog ihren Handschuh
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