Geliebte der Nacht
weit genug, um sie hinauszulassen. Gabrielle gab Gas und brauste auf die ruhige, dunkle Straße hinaus. Sie hatte keine genaue Vorstellung davon, wo sie sich befand, bis sie ein paar Kilometer gefahren war und auf eine vertraute Kreuzung stieß. Dort bog sie nach links auf die Charles Street ein und fuhr benommen wie sie war Richtung Beacon Hill.
Ihr Häuserblock wirkte auf sie, als sie den Wagen am Straßenrand vor ihrer Wohnung parkte, viel kleiner als früher. Die Lampen ihrer Nachbarn brannten, aber trotz des gelben Lichtscheins erschien ihr das Backsteingebäude irgendwie düster.
Gabrielle stieg die kurze Vordertreppe hinauf und fischte ihren Schlüssel aus ihrer Handtasche. Ihre Hand stieß an einen kleinen Dolch, den sie aus Lucans Waffenschrank genommen hatte – eine kleine Absicherung für den Fall, dass sie auf dem Heimweg in irgendwelche Schwierigkeiten geriet.
Das Telefon in der Wohnung klingelte, als sie die Wohnung betrat und das Licht im Vorraum einschaltete. Sie wartete darauf, dass sich der Anrufbeantworter einschaltete, und drehte sich um, um alle Schlösser und Riegel an der Tür zu verschließen.
Aus der Küche hörte sie Kendras abgehackt klingende Stimme aus dem Gerät.
„Es ist sehr unhöflich von dir, mich so zu ignorieren, Gabby.“ Ihre Freundin klang seltsam schrill. Stocksauer. „Ich muss dich sehen. Es ist wichtig. Wir müssen unbedingt miteinander reden, du und ich.“
Gabrielle wanderte durch das Wohnzimmer und bemerkte die leeren Stellen an den Wänden, an denen Lucan einige ihrer gerahmten Fotografien abgenommen hatte. Es schien ihr ewig her, dass er in ihre Wohnung gekommen war und ihr die unfassbare Wahrheit über sich selbst und die Schlacht, die von ihm und seinesgleichen geführt wurde, erzählt hatte.
Vampire, dachte sie und stellte überrascht fest, dass dieses Wort sie nicht länger erschreckte.
Wahrscheinlich konnte sie momentan nicht mehr vieles erschrecken.
Und sie hatte keine Angst mehr, wie ihre Mutter den Verstand zu verlieren. Selbst diese tragische Geschichte hatte nun eine neue Bedeutung bekommen. Ihre Mutter war gar nicht verrückt gewesen. Sie war eine verängstigte junge Frau, die eine Gewalt erlebt hatte, die nur wenige Menschen mit dem Verstand erfassen konnten.
Gabrielle hatte nicht vor, sich von dieser Gewalt vernichten zu lassen. Sie war zu Hause, gewissermaßen, und sie würde sich einen Weg überlegen, um sich wieder in ihr altes Leben einzufinden. Sie ließ ihre Handtasche auf die Küchentheke fallen und ging zum Anrufbeantworter hinüber. Die Nachrichtenanzeige zeigte die Zahl 18.
„Das ist doch wohl nicht euer Ernst“, murmelte sie und drückte den Abspielknopf.
Während das Gerät seine Arbeit machte, ging Gabrielle ins Badezimmer, um ihren Hals zu untersuchen. Die Wunden von Lucans Biss glühten dunkelrot unter ihrem Ohr, direkt neben der Träne und dem zunehmenden Mond, die sie als Stammesgefährtin kennzeichneten. Sie untersuchte die beiden Löcher und die leuchtenden blauen Flecken, die Lucan auf ihrem Körper hinterlassen hatte, stellte aber fest, dass es nicht wehtat. Der dumpfe, leere Schmerz zwischen ihren Beinen tat mehr weh, aber auch er verblasste neben dem Schmerz, der seit Lucans Zurückweichen vor ihr heute Nacht, so als ob sie Gift wäre, ihr Herz erfasst hatte. Er war aus dem Raum gestolpert, als hätte er nicht schnell genug von ihr wegkommen können.
Gabrielle drehte den Wasserhahn auf und wusch sich, wobei sie die Nachrichten, die in der Küche abgespielt wurden, nur am Rande mitbekam. Als der Anrufbeantworter zur vierten oder fünften Nachricht kam, fiel ihr etwas Merkwürdiges auf.
Alle Nachrichten stammten von Kendra, und alle waren innerhalb von vierundzwanzig Stunden aufgezeichnet worden. Manchmal lagen kaum fünf Minuten zwischen den einzelnen Anrufen.
Und Kendras Tonfall war bei den letzten Nachrichten deutlich angesäuerter als in der ersten Nachricht. Da hatte ihre Stimme scherzhaft und lässig geklungen, sie hatte Gabrielle zum Essen, auf einen Drink oder zu etwas ähnlich Nettem einladen wollen. Dann wurde der Ton der Einladung etwas nachdrücklicher, und Kendra erklärte, dass sie ein Problem hätte und Gabrielles Rat bräuchte.
Die letzten Nachrichten waren scharf klingende Befehle, Kendra erwartete bald von ihr zu hören.
Als Gabrielle zu ihrer Handtasche lief und die Voicemail ihres Mobiltelefons überprüfte, fand sie noch weitere solcher Nachrichten vor.
Kendras wiederholte Anrufe.
Der seltsam
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