Geliebte der Nacht
müde. Ich bin nicht unverwundbar. Nach neunhundert Jahren, in denen ich diese Lüge gelebt habe, hat Gabrielle weniger als zwei Wochen gebraucht, um mir die Maske vom Gesicht zu reißen. Sie hat mich gezwungen, mich selbst so zu sehen, wie ich wirklich bin. Wenig von dem, was ich sehe, gefällt mir, aber ich will mich bessern … für sie.“
Niko blickte ihn finster an. „Verdammt, Lucan. Sprichst du hier über Liebe?“
„Ja“, sagte Lucan ernst. „Das tue ich. Ich liebe sie. Und darum muss ich euch um etwas bitten. Euch alle.“
Gideon nickte. „Spuck es aus.“
„Wenn es schlimmer um mich steht – sehr bald oder eines Tages –, muss ich wissen, dass ich auf euch Jungs zählen kann, dass ihr mir den Rücken deckt. Wenn ihr seht, dass ich gegen die Blutgier verliere, wenn ihr denkt, dass ich mich verwandle … Ich brauche euer Wort, dass ihr mich dann tötet.“
„Was?“ Dante schreckte zurück. „Das kannst du nicht von uns verlangen, Mann.“
„Hört mir zu.“ Er war nicht gewohnt, um etwas zu betteln. Die Bitte fühlte sich rau in seiner Kehle an, aber er musste sie aussprechen. Er hatte es satt, die Last alleine zu tragen. Und das Allerletzte, was er jemals wollte, war die Angst, dass er in seiner Schwäche irgendetwas tat, was Gabrielle verletzen würde. „Ich muss hören, dass ihr es schwört. Jeder von euch. Versprecht es mir.“
„Scheiße“, sagte Dante und funkelte ihn an. Schließlich nickte er ernst. „Ja. Okay. Du bist verdammt verrückt, aber okay.“
Gideon schüttelte den Kopf. Dann streckte er die Faust aus und schlug seine Fingerknöchel gegen die von Lucan. „Wenn es das ist, was du willst, dann bekommst du es. Ich schwöre es dir, Lucan.“
Niko stimmte ebenfalls zu. „Dieser Tag wird niemals kommen, aber wenn es so weit ist, weiß ich, dass du das Gleiche für jeden von uns tun würdest. Also, zum Teufel, ja, du hast mein Wort.“
Übrig blieb Tegan, der stoisch auf dem Rücksitz saß.
„Was ist mit dir, Tegan?“, fragte Lucan und drehte sich um, um dem ausdruckslosen Starren aus den grünen Augen des Kriegers zu begegnen. „Kann ich dabei auf dich zählen?“
Tegan starrte ihn lange und nachdenklich an. „Klar, Mann. Zum Teufel, was auch immer du sagst. Wenn du dich verwandelst, bin ich der Erste, der dich kaltmacht.“
Lucan nickte befriedigt, während er in die Runde blickte, in die ernsten Augen seiner Brüder.
„Gott“, warf Dante ein, als die gewichtige Stille in dem Fahrzeug endlos zu werden schien. „Nach all dieser ganzen Gefühlsduselei muss ich unbedingt etwas killen. Wie wäre es, wenn wir aufhören, uns gegenseitig einen runterzuholen, und diesem Scheißhaufen das Dach runterblasen würden?“
Lucan erwiderte das großspurige Grinsen des anderen Vampirs. „Lasst es uns tun.“
Die fünf von Kopf bis Fuß in Schwarz gekleideten Stammesvampire strömten geschlossen aus dem Geländewagen und begannen dann ihren heimlichen Vorstoß in Richtung der Nervenheilanstalt auf der anderen Seite der vom Mondschein erleuchteten Bäume.
31
„Komm schon, komm schon. Geh auf, verdammt!“
Gabrielle saß hinter dem Steuer eines schwarzen BMW-Coupes und wartete ungeduldig darauf, dass das riesige Tor des Anwesens aufglitt und sie hinausließ. Es gefiel ihr überhaupt nicht, dass sie gezwungen gewesen war, den Wagen der Fahrzeugflotte ohne Erlaubnis zu nehmen, aber nach dem, was mit Lucan passiert war, musste sie dringend hier weg. Da das gesamte Grundstück mit einem Hochspannungszaun umgeben war, blieb bloß eine einzige Alternative.
Sie würde sich eine Möglichkeit ausdenken, den BMW zurückzubringen, sobald sie zu Hause war.
Sobald sie wieder da war, wo sie wirklich hingehörte.
Sie hatte Lucan heute Nacht alles gegeben, was sie konnte, aber es hatte nicht gereicht. Sie war darauf vorbereitet gewesen, dass er sie zurückwies und ihrem Angebot, ihn zu lieben, widerstand, aber es gab nichts, was sie tun konnte, wenn er sie aus seinem Leben ausschloss. Wie er es heute Nacht getan hatte.
Sie hatte ihm ihr Blut, ihren Körper und ihr Herz gegeben, und er hatte sie zurückgewiesen.
Jetzt hatte sie alle Energie aufgebraucht.
Allen Kampfgeist.
Wenn er so entschlossen war, allein zu sein, wer war sie, dass sie ihn dazu bringen wollte, sich zu ändern? Wenn er sich umbringen wollte, hatte sie todsicher nicht die Absicht, herumzusitzen und darauf zu warten, dass es passierte.
Sie fuhr jetzt nach Hause.
Die schweren Eisentore öffneten sich endlich
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