Geliebte des Blitzes
– sie besaß die gleichen Fähigkeiten wie Faith, aber stärker ausgeprägt –, wären sie vielleicht immer noch zusammen. Andererseits, vielleicht wäre Liberty dann in jenem Gewittersturm umgekommen, der seinerzeit
die Eltern getötet und den Faith nur mit knapper Not überlebt hatte.
Dann verdrängte sie diese Gedanken, legte Mr. Wiggums beiseite und sah Wyatt auf sich zukommen.
Mit leuchtenden Augen schaute er sie an und umfasste ihre Wangen. »Ich würde ja nach deiner Telefonnummer fragen, aber wahrscheinlich erinnerst du dich nicht an diese Nacht, wenn ich dich dann anrufe.«
Erbost schlug sie seine Hand weg. »Hältst du mich für eine Nutte? Glaubst du wirklich, ich würde nicht wissen, welcher Kerl mich anruft?« Und warum zum Teufel ärgerte sie sich, wo sie doch verdammt gut wusste, sie könnten einander nie mehr sehen? Sie stammten aus verschiedenen Ländern, aus verschiedenen Welten.
»Damit hat es nichts zu tun. Es ist nur – an mich erinnert sich einfach niemand.« Ein letztes Mal küsste er sie, leidenschaftlich und ausgiebig. Danach klammerte sie sich an sein Hemd, so verzweifelt, als wollte sie ihn für immer festhalten. »Bye, Faith Black.«
Mit schnellen Schritten ging er zur Tür hinaus, und ließ sie auf wackeligen Beinen im Zimmer stehen. An ihn erinnert sich niemand? War er total vertrottelt? Denn das wusste sie ganz genau – Wyatt, Nachname unbekannt, war der Liebhaber, an dem sie in Zukunft alle anderen messen würde.
4
D EVLIN O’MALLEY ÖFFNETE DIE AUGEN und blinzelte einmal, noch einmal, und dann immer wieder. Schließlich erschien ein Lächeln auf seinem Gesicht, denn – hurra, es werde Licht! Richtiges Licht – keines, das durch sein Zweites Gesicht gefiltert wurde. Entspannt lag er im Bett der Gästesuite auf dem ACRO-Gelände, wo er seit vier Monaten wohnte, weil es jetzt hochoffiziell war, dass seine Sehkraft zurückgekehrt war.
Im vergangenen Frühling hatten die zehn dunklen Jahre ein jähes Ende gefunden, so plötzlich, wie er vor so langer Zeit am Steuer der C-130 erblindet war. Ja, endlich befreit von der schweren Bürde – und dem damit verbundenen schlechten Karma.
An diesem Tag würde er wieder in sein eigenes Haus ziehen und als Chef von ACRO zurückkehren – eine Position, die Oz, sein Liebhaber und bester Freund vorübergehend übernommen hatte, und weshalb ihn Dev umso mehr schätzte.
Es war an der Zeit, sein früheres Leben wiederaufzunehmen. Nun musste er Mittel und Wege finden, damit er den Mann namens Alek ein für alle Mal erledigen konnte – seinen biologischen Vater und führenden
Kopf hinter Itor Corp, ACROS Erzfeind. Beinahe hätte der Kerl ACRO übernommen, die Spionagefirma, die Devs Eltern aufgebaut hatten, und die gleichzeitig Devs Seele war.
Aber zuerst musste er einen künstlich erzeugten Hurrikan stoppen, der eine größere US-Stadt und danach möglicherweise die ganze freie Welt zu vernichten drohte.
»Devlin, gleich ist es so weit.« Sam stand in der Tür. Sie arbeitete seit der ersten Stunde für ACRO und genoss dort den größten Respekt als Parapsychologin. Einen Moment lang überlegte er automatisch, ob er sein CRV-Talent – Controlled Remote Viewing, die kontrollierte Fernsicht – nutzen sollte, um sie zu sehen. Alte Gewohnheiten zu ändern, fiel ihm schwer, denn seine übernatürlichen Kräfte waren immer noch genauso ausgeprägt wie vor der Rückkehr seines Sehvermögens.
Sam hatte Devs Eltern gekannt und engagiert mit ihnen zusammengearbeitet, um den Erfolg der Firma zu sichern. Genauso pflichtbewusst hatte sie sich in den letzten Monaten um ihn gekümmert und sein Gehirn gegen Alek abgeschirmt, damit der Leiter der feindlichen Agentur nichts über ACROs Geheimnisse erfuhr.
Zum Beispiel, dass Ryan Malmstrom, ein ACRO-Spitzenagent, Itor unterwandert hatte. Seit Alek letzten Mai verkündet hatte, er wisse Bescheid über den Spion, ließ dieser nichts mehr von sich hören, was Devs Nerven schmerzhaft strapazierte. Zwar hatte er versucht, Ryans Bild mittels CRV heraufzubeschwören, aber abgesehen von einer einzigen klaren, beängstigenden Vision des Agenten – auf einem OP-Tisch festgebunden – erzielte
er nur verschwommene, verzerrte Bilder, die mit jedem Versuch unschärfer wurden.
»Ja, ich stehe gleich auf«, antwortete er und schaute durch das große Fenster auf das weitläufige Gelände, wo die Pferde der Tierabteilung frei herumliefen. Er überlegte, ob er an diesem Nachmittag wohl mit einer der kleinen Cessnas
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