Geliebte des Blitzes
diese Entscheidung fiel ihm leicht. Und ACRO hatte ihm dabei geholfen, seinen Arsch zu retten. Ob er schuldig war, wusste er noch immer nicht.
Die Hände um die Decksreling gekrallt, trat er von einem Fuß auf den anderen. Es war genau diese besondere Unsicherheit, die er so abgrundtief hasste.
Für sein Land arbeitete er nach wie vor, auf die einzige Art, zu der er in der Lage war. Die beste – und einzige – , die er kannte. Er war loyal, treu ergeben, ein verdammt guter Agent.
Aber – nein, er war nicht mehr derselbe.
DER HUBSCHRAUBERPILOT ERKLÄRTE, da vorne links würde die Ölplattform liegen. Aber von ihrem Platz aus, direkt hinter dem Kopiloten, sah Faith nur den endlosen Ozean und dichte Sturmwolken.
Verdammt. Sie lehnte sich auf dem Sitz des Chelbi-Passagier-Helikopters zurück, der die Bohrarbeiter-Crews zur Arbeit oder nach Hause transportierte. Nie zuvor hatte sie auf offener See eine solche Anlage betreten, und sie hätte diese neue Erfahrung durchaus begrüßt, wäre der Anlass ein anderer gewesen.
Liberty.
Eine Woche zuvor hatte sie den Anruf bekommen. Völlig verwirrt und zitternd, war sie eine halbe Stunde lang außerstande gewesen, klar zu denken.
Wir haben Ihre Schwester in unserer Gewalt. Wenn Sie nicht kooperieren, wird sie sterben.
Bis dahin hatte Faith nicht gewusst, ob ihre Schwester noch am Leben war. Ihre Eltern hatten Liberty in einer psychiatrischen Klinik untergebracht und drei Jahre später, 1987, gab es im Oktober das schwere Unwetter über Südengland, bei dem Vater und Mutter umkamen. Traumatisiert, während sich gleichzeitig ihre Kräfte vollständig herausbildeten und außer Kontrolle gerieten, wurde Faith von Agenten der britischen Regierung entführt. Schließlich landete sie in einer Schule für speziell begabte Kinder, wo sie Sean kennenlernte. Als sie alt genug war, um nach ihrer Schwester zu suchen, führte die erkaltete Spur ins Nichts und in der psychiatrischen Klinik war außer lückenhaften ärztlichen Berichten nichts an Information zu bekommen. Zwar gab es Gerüchte, aber nichts Konkretes.
Faith hatte die Hoffnung nicht aufgegeben, doch schon seit Jahren fühlte sie sich wie in einer Sackgasse.
Bis zu dem Anruf, bis zu dem Video.
Die Frau, an einen Stuhl gefesselt, ein Auge blau geschlagen, mit blutender Nase, war Faiths Ebenbild. Obwohl Libertys glattes schwarzes Haar nur bis zum Kinn reichte, im Gegensatz zu den langen Locken ihrer Schwester – es gab keinen Zweifel an der Identität der Frau, die auf dem Stuhl schwankte, von einer Kalaschnikow bedroht.
»Hilf mir, Faith«, sagte Liberty mit ihrem melodischen irischen Akzent. »Ich habe solche Angst. In dieser alten Pension …«
Ehe sie weitere Anhaltspunkte verraten konnte, schlug der Mann den Gewehrlauf gegen ihre Schulter, und sie stürzte mitsamt dem Stuhl zu Boden. Faith fluchte und schrie, bis der Schurke zur Kamera schlenderte. »Wenn Sie Ihre Schwester lebend wiedersehen wollen, hören Sie zu.«
Eine Strumpfmaske dämpfte seinen Akzent, ebenfalls irisch. Trotzdem verstand Faith die Worte.
»Was verlangen Sie?«, würgte sie hervor.
»Itor hat eine schlagkräftige Waffe entwickelt, eine Wettermaschine. Die wollen wir haben.«
»Keine Ahnung, wer Itor ist.«
Der Mann drehte sich um. Was er tat, sah Faith nicht, aber seiner Bewegung und einem schwachen Wimmern merkte sie an, dass er nach Liberty trat.
»Elender Bastard!«
»Ärgern Sie mich nicht, Miss Black. Nehmen Sie unverzüglich Kontakt mit Sean Stowe auf. Er ist für die Wettermaschine zuständig und wir wissen, dass Sie mit ihm liiert sind. Sagen Sie ihm, Sie lieben ihn, und Sie wollen für Itor arbeiten. Wie Sie’s anfangen, ist uns
egal. Beschaffen Sie uns einfach nur die Grundplatine der Maschine.«
Am selben Tag hatten Libertys Peiniger ihr ein Einweg-Handy geschickt, außerdem die Spezialanfertigung einer wasserfesten Tasche für die Grundplatine und weitere Instruktionen. Sobald sich die Platine in ihrem Besitz befand, sollte sie sich bei ihnen melden. Dafür hatte sie zwei Wochen Zeit. Danach würde Liberty einen Körperteil nach dem anderen verlieren.
Verdammte Bastarde. Faith hatte ihre Dienststelle informiert und den Agenten das Video gezeigt, erwartete sich aber davon nicht viel. Wer immer in der Lage war sie aufzuspüren, wer Liberty gefunden hatte und sie gegen ihre Schwester benutzte, dem würde kein Fehler unterlaufen.
Und wieso wussten sie über Faith und Sean Bescheid? Wo hatten sie überhaupt
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