Geliebte des Blitzes
Dann schob sie sich an Creed vorbei und ging auf die Suche nach dem feindlichen Agenten von Itor. Den hatte sie aus den Augen verloren,
und es dauerte zwei Tage, bis sie ihn fand und das Kunstwerk retten konnte. Die Mission war erfolgreich abgeschlossen worden, was Creed nicht daran gehindert hatte, sie bei Dev anzuschwärzen.
Natürlich war der Boss wütend. So zornig hatte sie ihn nie zuvor gesehen.
Sie hatte gegen die Regeln verstoßen, das Kunstwerk beinahe verloren. Außerdem hatte Norris an einem Auftrag gearbeitet, der sehr wichtig für die nationale Sicherheit gewesen war. Sein Tod hatte dieses Projekt um Jahre zurückgeworfen, und der CIA wollte Annikas Kopf. Aber ACRO beschützte sie. Doch mit ihrer Aktion hing der fragile Frieden zwischen den beiden Geheimdiensten an einem seidenen Faden.
Wochenlang musste Dev sich gewaltig anstrengen, um den Schlamassel aus der Welt zu schaffen. Daran gab er ihr die Schuld und bestrafte sie. Sechs Monate lang keine Mission. Nur endloses Training. Bevor sie sein Büro verließ, hatte er gedroht: »Wenn du Creed anfasst, verdopple ich die Strafe.«
Sie hatte Creed nicht angefasst, zumindest nicht bis zu jener Nacht vor einem Jahr, als sie gemeinsam in einem Spukhaus eingesperrt gewesen waren. Dort hatte sie dann herausgefunden, dass er gegen ihre Elektroschocks immun war und infolgedessen wurde Creed derjenige, der sie entjungferte. Auf Intimitäten mit anderen Männern hatte sie stets verzichtet, weil sie die mörderischen Stromschläge bei ihren Orgasmen nicht kontrollieren konnte.
Seit jener Nacht genossen sie eine offene sexuelle Beziehung, ein Verlangen nacheinander, das heißer brannte als die Sonne.
Aber jetzt wollte er mehr. Viel mehr. Weil er vor vier Monaten erfahren hatte, er könnte von dem Geist Kat befreit werden – der ihm überallhin folgte und ihm sein Liebesleben schwermachte. Dieser Prozedur würde er nur zustimmen, wenn Annika zu einer dauerhaften Beziehung bereit wäre.
Sie hatte keine Ahnung gehabt, wie sie auf diesen Vorschlag reagieren sollte. Da war er einfach weggelaufen, so wie sie es oft genug tat. Wochenlang hatten sie nicht miteinander geredet, bis zum alljährlichen ACRO-Picknick am 4. Juli. Creed gab sich kühl und distanziert, und Annika als ein gemeines Biest, das zu viel Bier getrunken hatte. Irgendwie war ihr trotzdem dabei herausgerutscht, sie würde ihn vermissen. Da hatte er sie gepackt, ins nächstbeste Gebäude gezerrt – die paranormale Abteilung –, wo sie sich die Kleider vom Leib rissen und es miteinander trieben. Später lachte er über die Vibrationen, die sie am Schreibtisch der Abteilungsleiterin hinterlassen hatten und die diese prüde alte Psychometrikerin zweifellos schockieren würden.
Seine Idee von der festen Beziehung hatte er nicht mehr erwähnt. Bald würde sich das Zeitfenster schließen, in dem die Befreiung von Kat möglich wäre. Warum, erklärte er ihr nicht, und Annika hatte noch immer keine Entscheidung getroffen.
Deshalb fand sie es so wichtig, ihre CIA-Vergangenheit zu begraben. Weil sie einen klaren Kopf brauchte.
Creed blieb bei der Tür stehen. Offenbar wollte er sie nicht gehen lassen. Natürlich wusste er, dass er sie nicht aufhalten konnte. Aber da stand er, eine eins fünfundneunzig
große maskuline Versuchung, in Jeans und einem weißen Corona-T-Shirt, das seine Piercings und die tief gebräunte Haut betonte.
An der rechten Seite bedeckten Tattoos die gebräunte Haut – Tätowierungen, mit denen er anscheinend auf die Welt gekommen war.
Sie nahm ihre Handtasche und sah darin nach ihrem gefälschten Reisepass und der Waffenausrüstung. »Geh mir aus dem Weg, Creed.«
»Nein.«
»Hat das was mit Wyatt zu tun?«
Seit Wyatts Tod benahm Creed sich ziemlich seltsam, sorgte sich wegen jedem ihrer Aufträge und verlangte, dass sie ihn regelmäßig anrief. Der Verlust des Freundes und befreundeten Agenten, der für ähnliche Aufträge zuständig gewesen war wie Annika, ließ ihn hinter jeder Ecke Gefahren lauern sehen.
»Was Wyatt zugestoßen ist, hat damit nichts zu tun. Ich will dich nur davon abhalten, den gleichen Fehler zu machen wie beim letzten Mal.«
»Dass ich Norris getötet habe, war jedenfalls kein Fehler.« Sie drängte sich an ihm vorbei.
Blitzschnell packte er ihren Arm und schwenkte sie herum. »Nein.«
Annika stellte sich auf die Zehenspitzen. Aber bei ihrer Größe – eins fünfundsechzig – nützte das nichts. »Zum Teufel mit dir!« Sie riss sich los, stürmte in
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