Geliebte des Blitzes
Tränen. Zitternd kroch sie
unter Creed hervor und schaute ihn nicht an, während sie ein Papiertaschentuch ergriff und die Spuren des Liebesakts wegwischte. Dann zog sie das Messer aus der Wand und steckte es in die Scheide an ihrem Schenkel. Hinter sich hörte sie ein Rascheln, dann das Geräusch des Reißverschlusses. Offenbar war Creed immer noch entschlossen, ihren Plan zu vereiteln.
Aber Troy musste sterben. Jetzt erst recht.
»Glaub bloß nicht, du könntest mich zurückhalten – nur weil du mich gezwungen hast, etwas zu sagen, das ich nicht ernst meine.«
»Doch, du hast es ernst gemeint.« Seine Schritte näherten sich. Aber er rührte sie nicht an und hielt Abstand. »Warum ist das so wichtig für dich?«
Sie starrte das Loch an, das ihr Messer in die Wand gebohrt hatte. »Weil er der Mörder meiner Mom ist. Wenn du das nicht verstehst …«
»Natürlich verstehe ich das«, erwiderte er leise. »Und er verdient, was du mit ihm vorhast. Aber es geht nicht um deine Mutter.«
»Zur Hölle mit dir!« Die Worte klangen schroff. Aber Annikas Tonfall verriet ihre Niederlage, und sie lehnte ihre Stirn an die kühle Tünche der Wand.
»Du hast schon viele Leute getötet, Annika. Warum ist dieser eine Mann so wichtig?«
Krampfhaft schluckte sie, ihr Magen drehte sich um. »Die anderen interessieren mich nicht. Für mich waren sie einfach nur Aufträge. Böse Jungs.« Sie griff zwischen ihre Beine und betastete den harten Gummigriff ihres Messers. »Aber Troy – verdammt, ich hasse ihn. Und Hass ist ein Gefühl. Das muss ich wieder loswerden.«
Creed holte tief Luft, und sie hörte, wie er einen Schritt zurücktrat. »Oje, das ist es also.«
»Ja, jetzt hast du’s kapiert. Wenn ich ihn beseitige, befreie ich mich von meinem Hass – und gewinne mein Ich zurück.« Sie drehte sich um. »Irgendwie hast du eine Tür geöffnet, Creed. Du weckst Gefühle in mir, die ich nicht empfinden will. Die müssen verschwinden. Alle. Nicht nur der Hass.«
Creed schüttelte den Kopf. In seinen Augen glühten ungläubiges Staunen und Schmerz. »Willst du wirklich, dass ich für immer aus deinem Leben verschwinde?«
Da stand er, das Gesicht so blass, dass sein Tattoo einer pochenden, zornigen Wunde glich. Als sie nicht antwortete, weil dieses für immer sie komischerweise irgendwie getroffen hatte, packte er seinen Seesack und ging zur Tür.
Wollte sie ihn wirklich nie mehr sehen? Was sie für ihn empfand, musste sie aus ihrem Leben verbannen. Aber ihn selbst? Dev ausgenommen, war Creed der einzige Mensch, mit dem sie gern zusammen war, bei dem sie sich wohlfühlte. Und definitiv der einzige Mann, mit dem sie erotische Freuden genießen konnte. Warum begnügte er sich nicht mit Sex ohne eine enge Bindung?
Sie sollte ihn gehen lassen. Stattdessen nahm sie wahr, wie sich ihr Mund öffnete, und hörte sich rufen: »Warte, Creed!«
»Warum? Willst du mir noch einmal erklären, du brauchst mich nur für deine sexuellen Gelüste? Und dass Dev alle deine emotionalen Bedürfnisse stillt?« An der Tür blieb er stehen. Mit einer zitternden Hand strich er über sein Gesicht. »Großer Gott, die ganze Zeit dachte
ich, irgendwann könnte ich zu dir durchdringen und du würdest mir entgegenkommen. Aber du willst es nicht einmal versuchen. Für dich bin ich ein Niemand. Gar nichts bedeute ich dir.«
»Nein, das stimmt nicht«, protestierte sie. Denn er bedeutete ihr etwas. Zu viel.
»Scheiße! Könntest du’s mit anderen Männern treiben, würdest du’s tun. Nur damit du nicht mit mir zusammen sein musst.«
Plötzlich zerbrach etwas in ihr und sie spürte einen Anflug von Übelkeit. Was geschehen mochte, wenn sie mit anderen Männern schlief, hatte sie nie bedacht – vor allem, weil sie jahrelang gewusst hatte, dass es unmöglich war. Aber ihr Gehirn arbeitete sehr schnell und überlegte bereits, wie es wohl mit einem der zahlreichen Männer wäre, die sich seit dem ersten Mal mit Creed an sie herangemacht hatten. Nein, keiner reizte sie auch nur im mindesten. Keiner erregte sie, keiner brachte sie zum Lachen, keiner weckte das Gefühl, sie wäre ihnen wichtig.
Klar, sie alle wollten Sex mit ihr. Dieser Gedanke drehte ihr erneut den Magen um und durchfuhr sie wie ein Metallgeschoss. Weil sie Creed aus demselben Grund begehrte. Sex. Zu ihren Bedingungen. Wie ein Stück Fleisch hatte sie ihn behandelt und benutzt, ohne Rücksicht auf seine Gefühle.
Voller Sorge und Schmerz schaute er sie an und – noch schlimmer – fest
Weitere Kostenlose Bücher