Geliebte des Blitzes
griff nach der Waffe, die sie – wie er wusste – in der Ledertasche verstaut hatte. Aber er legte eine Hand auf ihren Arm.
»Keine Bange, der gehört zu uns.« Er drehte sich um und sah den Mann heranschlendern, den jeder nur als ML kannte. ML trug seine Markenzeichen, ein grässliches Hawaiihemd, eine Badehose – und hatte ein Longdrinkglas mit irgendeinem tropischen Gebräu in der Hand. »Hi, ML. Wie geht’s?«
»Ich hätte euch aus dem Wasser fischen können.«
»Nun, ich hatte andere Pläne.«
»Willst du wieder mal von den Toten auferstehen?«
»Nein«, entgegnete Wyatt, und strich eine feuchte Haarsträhne aus seiner Stirn, »ich bin immer noch begraben. «
»Heißes Date für einen Toten.« ML prostete Faith zu. »Kommt, ich bringe euch ins Haus. Dort bekommt ihr was Trockenes zum Anziehen, bevor wir alle verhaftet werden.«
»Für unsere Verhaftung gibt es gar keinen Grund, Mann«, erwiderte Wyatt, aber ML lachte daraufhin nur. »Erzähl keinen Schwachsinn!«, schrie er in den Wind.
15
A NNIKA KONNTE SICH NICHT ERINNERN, wann sie zuletzt so erschöpft gewesen war. Jetzt, da Hurrikan Lily offenbar in Richtung des ACRO-Geländes zog, hatte Dev alle Mitarbeiter zusammengerufen, um entsprechende Vorkehrungen zu treffen. Das Hauptquartier lag weit genug im Landesinneren, so dass sie sich keine allzu großen Sorgen machen mussten.
Trotzdem konnte ein Hurrikan von der Kategorie fünf zerstörerische Winde ein paar Hundert Meilen weit landeinwärts schicken. Deshalb wollte Dev die Basis und die benachbarte Stadt so gut wie möglich schützen, und sein gesamtes Personal wurde zum Bereitschaftsdienst verpflichtet, um sich an den Such- und Rettungsmaßnahmen zu beteiligen und nach der Naturkatastrophe bei den Aufräumarbeiten zu helfen.
Wie Haley betont hatte, mussten sie sich – egal, auf welcher Höhe der Ostküste Lily zuschlagen würde – auf einen Hurrikan von Katrina-Ausmaßen gefasst machen, und das wäre noch die vergleichsweise harmlose Variante. Ein direkter Angriff auf New York City würde zehnmal schlimmere Schäden anrichten und konnte die gesamte US-Wirtschaft um zwanzig Jahre zurückwerfen.
Nachdem Annika stundenlang damit beschäftigt gewesen war, Schutzräume und Stützpunkte einzurichten, wollte sie nur noch an Creeds Seite ins Bett fallen, ausnahmsweise nicht mit sexuellen Absichten. Leider musste sie am Abend noch einen regulären Kampfsportkurs abhalten, denn Dev bestand darauf, dass die Lehrpläne für die neuen Rekruten möglichst nicht geändert wurden.
»Bist du hungrig?«, fragte Creed und schaute vom Fahrersitz ihres Jeeps zum Beifahrersitz herüber, wo sie in sich zusammengesunken war. Er hatte behauptet, er würde das Steuer sehr gern übernehmen, aber sie hegte den Verdacht, ihr rasanter Fahrstil würde anderenfalls seine Nerven zu sehr strapazieren, obwohl sie ihm schon so oft erklärt hatte, wie gründlich sie ausgebildet war, was tollkühne Stunts und Ausweichmanöver betraf.
»Halb verhungert. Kochst du?«
Er bog in die Zufahrt seines einstöckigen Hauses auf dem Gipfel eines Hügels. »Wenn du nichts gegen Spaghetti mit Dosensoße einzuwenden hast.«
»Gar nichts.«
Zwanzig Minuten später saßen sie im Speisezimmer am Tisch, aßen Spaghetti und teilten sich eine Flasche Rotwein. Annika liebte Creeds geräumiges Haus. Trotz des spärlichen Dekors fand sie es gemütlich. Sie dagegen bewohnte eine umgebaute Baracke auf dem ACRO-Gelände, wo sie sich nur selten aufhielt. Weshalb ihr Apartment auch den Charme einer Gefängniszelle ausstrahlte.
»Was musstest du heute machen?«, fragte sie und streute Parmesan auf ihre Nudeln.
Creed nahm einen Schluck Wein. »Da wir damit rechnen, dass jede Menge Schwerverletzte reinkommen werden, haben wir in meiner Abteilung mit den Vorbereitungen für die Rettung der Seelen begonnen.«
»Und das heißt?«
»Wenn viele Menschen plötzlich sterben, insbesondere bei Naturkatastrophen, irren die Seelen ziellos umher, und wir müssen ihnen helfen, ins Jenseits zu gelangen. «
»Kann das nicht warten, bis die Überlebenden verarztet sind?«
Er schaute sie über den Tisch hinweg an, und die Intensität seiner Augen sandte einen angenehmen Schauer durch ihre Adern. Wenn er fachsimpelte, war er wahnsinnig sexy. »Unsere Körper sind nur Hüllen, die wahre Essenz jedes Menschen und jedes Tieres ist die Seele. Deshalb hat die Sorge um den Geist Vorrang. Erst auf der anderen Seite leben wir wirklich. Nicht hier auf der Erde. Wenn man
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