Geliebte des Blitzes
Fähigkeit besessen – zu töten.
Hingegen war er von sanften, liebevollen Eltern zu einem sanften, liebevollen Erwachsenen großgezogen worden. Trotz seiner knallharten äußeren Erscheinung glich er einem riesigen Teddybär, weich und kuschelig. Und sie war das gerade Gegenteil. Wie hatte jemand sie einmal genannt? Robo-Bestie?
»Alles längst vorbei und vergessen«, tat sie das Ganze mit einer wegwerfenden Handbewegung ab.
»Wieso spielen wir hier eigentlich die ganze Zeit Frage und Antwort?«
Annika spielte mit einer Nudel, die sie mit ihrem Zeigefinger auf dem Teller umherschob.
»Komm, sag es mir«, drängte er, und sie seufzte.
»Als ich erfuhr, dass deine Eltern noch leben, habe ich gemerkt, wie wenig ich über dich weiß.«
»Immerhin kennst du mich besser als sonst jemand.«
»Vermutlich kenne ich den Mann, der du jetzt bist. Über deine Vergangenheit wusste ich nichts. Bis jetzt war ich zu selbstsüchtig, um danach zu fragen – um mich dafür zu interessieren. O Gott, was für ein grässliches Biest ich bin!« Zutiefst beschämt, konnte sie ihn nicht einmal anschauen.
»Würdest du dich anders benehmen, wärst du nicht die Annika, in die ich mich …«
Ihr Atem stockte. Dann taten ihre Lungen weh, so heftig holte sie Luft. »In die du dich – was?«, flüsterte sie.
Als er zusammenzuckte, glaubte sie, Kat hätte sich wieder einmal eingemischt. »Nun, ich meinte – mit der ich ins Bett ging. Wärst du nicht so tough, hätte ich damals in Devs Haus nicht mit dir geschlafen. «
»Genau!«, fauchte sie bitter enttäuscht. Warum gestand er nicht, er hätte sich in sie verliebt? »Das Bett. Nur darum dreht sich alles, nicht wahr? Ums Bett oder um Dev.«
Eine plötzliche Panik verengte ihre Brust, weil – was, zum Teufel? Liebe? Fühlte sie sich wirklich bereit dafür? Creed starrte sie an, als wäre ihr plötzlich ein zweiter Kopf gewachsen, und all die ungewohnten Emotionen drohten sie zu überwältigen.
»Annika«, sagte er müde, » du bist es, die ständig betont, es käme nur auf den Sex an. Und was Dev betrifft …«
»Reden wir nicht darüber.« Sie drückte wieder sein Knie, ganz sanft. »Nicht heute Abend. Ich bin erschöpft. Und später hab ich noch den Kampfsportkurs.«
»Damit das klar ist – ich weiß, du versuchst auf mich einzugehen und tust dein Bestes.«
»Damit das klar ist …« Sie lächelte. »So furchtbar muss ich mich dabei gar nicht anstrengen.«
DIE ALTE ACRO-GARDE NANNTE OZ einen Schurken, einen Zigeuner, einen Scharlatan. Gegen die beiden ersten Bezeichnungen hatte er nichts einzuwenden, die letzte lehnte er ab, denn er hatte noch nie jemanden getäuscht, der nicht getäuscht werden wollte.
Offenbar sorgten sich alle um Devlin, das hatte er schon kapiert. Doch ihnen war einfach nicht klar, dass Oz der Letzte wäre, der ihn jemals verletzen würde.
Mit siebzehn Jahren war Devlin in jene Bar gegangen, wo Oz herumgehangen hatte. Über dem Schankraum wohnte er, und an den meisten Abenden arbeitete er als Barkeeper, um die Miete zu bezahlen.
Oz hatte auf Dev gewartet. Sein eigenes Schicksal kannte er, seit er fünfzehn gewesen war. Denn das Gefolge an Geistern um ihn herum hatte es ihm enthüllt, seinen Lebensweg wie auf einem Brettspiel bestimmt, und er konnte nichts tun, um irgendwas dran zu ändern.
In diesen Mann wirst du dich verlieben. Unsterblich. Für diesen Mann wirst du alles tun. Für ihn musst du alles tun.
Und verdammt, Oz hatte sich tatsächlich in den hochgewachsenen, hübschen jungen Mann verliebt – genauso wie Devlin ihm verfallen war.
Natürlich hatte Oz nicht gewusst, durch welche Hölle beide gehen würden, nur um beisammen zu sein.
Und es ist noch nicht vorbei, erinnerte er sich. Es war erst der zweite Tag nach Devlins Rückkehr zu ACRO. Vor ein paar Stunden hatte Haley bestätigt, der Hurrikan Lily würde New York City bedrohen. Zunächst war Dev nach Hause gefahren, um sich ein bisschen auszuruhen, aber sobald sein Blick dem von Oz begegnete, stand fest – die beiden Männer würden so schnell nicht zum Ausruhen kommen.
In wilder Leidenschaft hatten sie sich geliebt. So viel stand jetzt unmittelbar bevor, so vieles gab es für Oz aufzuklären – manches davon konnte er aussprechen, manches nicht, und alles war sein Schicksal. Immer war es das gewesen.
Und so saß er im Dunkel auf der Bettkante im Schlafzimmer seines Freundes. Seit Devs Rückkehr hatten sie sich oft gesehen. Aber nun verbrachten sie zum ersten Mal seit
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