Geliebte des Schattens - Kenyon, S: Geliebte des Schattens - Seize the Night (Dark Hunter 07)
knallte keine Türen zu. So etwas taten nur Leute aus dem gewöhnlichen Volk.
Der Adel hingegen hielt seine Gefühle sorgsam unter Verschluss.
Ein Angehöriger eines Adelsgeschlechts ließ sich auch nicht von einer ungehobelten Frau kränken, die nicht die leiseste Ahnung hatte, wen sie eigentlich vor sich hatte.
Wie töricht, auch nur eine Sekunde lang zu denken …
»Ich brauche niemanden, der mich mag«, murmelte er. Sein ganzes Leben hatte sich keiner um ihn geschert. Weshalb sollte es jetzt auf einmal anders sein?
Und doch gelang es ihm nicht, diese leise Stimme in seinem Kopf zum Schweigen zu bringen, die darauf beharrte, wie sehr er sich nach jemandem sehnte, der ihm auch nur ein Körnchen Freundlichkeit schenkte. Ein kleines »Sag Valerius, ich lasse ihn schön grüßen.«
Nur ein einziges Mal in seinem Leben.
»Sei kein Narr«, sagte er zu sich selbst.
Lieber gefürchtet sein als geliebt werden . Die Worte seines Vaters hallten in seinen Gedanken wider. Jemanden, den sie mögen, werden die Leute immer wieder hintergehen, aber nicht jemanden, vor dem sie sich fürchten.
Das stimmte. Die Angst hielt die Leute in Schach. Niemand wusste das besser als er.
Wie hatten seine Brüder ihn gefürchtet.
Die Erinnerung daran ließ Valerius zusammenzucken. Er trat zu dem Regiestuhl in der Ecke des Zimmers und setzte sich.
Neben ihm stand ein Bücherregal. Stirnrunzelnd ließ er den Blick über das Sortiment an Buchrücken schweifen - von Die Letzten Tage von Pompeji und Alexander der Große. Sein Leben bis hin zu Jim Butchers Dresden-Romanen.
Was für eine außergewöhnliche Frau diese Tabitha doch war.
Als Valerius einen Band über das antike Rom herauszog, fiel sein Blick auf den Papierkorb neben seinem Stuhl. Es war ein großer Eimer, wie er sonst meist in der Küche verwendet wurde, doch seine Aufmerksamkeit wurde vom Zipfel eines schwarzen Ärmels angezogen, der über den Deckelrand lugte. Er hob den Deckel ab und blickte auf seinen Pullover und seinen Mantel.
Mit gerunzelter Stirn zog er die Sachen heraus. Sie waren blutbesudelt und zerfetzt. Er betastete den Riss auf dem Rücken, wo der Daimon ihn mit dem Schwert zerschnitten hatte.
Aber er trug doch sein …
Er stand auf und zog seinen seidenen Rollkragenpullover aus. Er war von Ralph Lauren, ebenso wie der, den er am Vorabend getragen hatte. Dafür gab es nur eine Erklärung.
Tabitha hatte ihm neue Sachen gekauft.
Er trat an den Schrank und untersuchte seinen Mantel. Erst jetzt bemerkte er, dass die Messingknöpfe etwas anders aussahen. Abgesehen davon, war es exakt der gleiche Mantel.
Er konnte es nicht glauben. Allein der Mantel hatte knapp fünfzehnhundert Dollar gekostet. Weshalb hatte sie das getan?
Er machte kehrt und ging in die Küche hinunter, wo sie am Herd stand und kochte.
Zögernd blieb er im Türrahmen stehen und betrachtete ihr heiter-gelassenes Profil. Sie war in der Tat eine wunderschöne Frau.
Ihre ausgebleichten schwarzen Jeans schmiegten sich um lange, schlanke Beine und um ein ausgesprochen perfekt geformtes Hinterteil. Sie trug einen knappen schwarzen Pulli mit kurzen Ärmeln, der den Blick auf einen breiten Streifen gebräunter Haut zwischen der tief auf der Hüfte sitzenden Hose und ihrem - allem Anschein nach gepiercten - Nabel freigab.
Ihr langes kastanienbraunes Haar war im Nacken zusammengenommen. Die Art, wie sie barfuß mit einem funkelnden Silberring am rechten Zeh am Herd stand, hatte etwas seltsam Friedliches an sich. Im Radio lief leise Martin Briley’s »Salt in my Tears«, und Tabithas Hüften kreisten aufreizender im Takt der Musik, als Valerius zuzugeben bereit war.
Wenn er ehrlich war, hatte er alle Mühe, nicht hinter
sie zu treten und diesen Hautstreifen zu berühren, der ihm verführerisch entgegenblitzte.
Diese Frau war ein Hitzkopf, der ihn unter Garantie reiten würde wie keine zweite.
Er trat einen Schritt vor, worauf sie zusammenfuhr und instinktiv ihren Fuß vorschnellen ließ. Valerius stieß einen Fluch aus, als der Fuß in seiner Lendengegend landete, und krümmte sich vor Schmerz.
»Oh Gott!«, stieß Tabitha erschrocken hervor, als ihr aufging, dass sie ihrem Gast gerade einen Tritt in die Weichteile verpasst hatte. »Es tut mir so leid! Ist alles in Ordnung?«
Er starrte sie finster an. »Nein«, knurrte er und hinkte davon.
Tabitha half ihm, sich auf die kleine Trittleiter zu setzen, die neben ihr stand. »Es tut mir wahnsinnig leid«, beteuerte sie, während er sich setzte
Weitere Kostenlose Bücher