Geliebte Diebin
ein paar Tagen von einem Esel und einem Karren hierher gebracht worden waren, stapelten sich in der Nähe des Kamins. Eine zersplitterte Bank lehnte an der Wand und Spinnweben und verlassene Wespennester hingen in den dunklen Ecken. Der Kot von Eulen und kleine Knochen lagen in einer Ecke unter einem hohen, geschützten Balken.
»Wo ist Vater?«
Gute Frage, Junge. Payton zuckte mit den Schultern. »Er hat sich verirrt, nehme ich an.«
»Nein, nicht Vater. Er verirrt sich niemals.« Yale setzte sich auf und zuckte gepeinigt. »Aye, mein Kopf. Er fühlt sich an, als würden tausend Pferde darin toben.«
»Das geht vorüber.« Payton ging zu den Vorräten in der Ecke.
»Wann?«
»Bald.«
»Wo bin ich?«
Payton hatte mit dieser Frage gerechnet. »Alles, was du wissen musst, ist, dass du jetzt unser Gefangener bist, und du wirst laicht versuchen zu flüchten.«
»Ist das ein Spiel? Wegen der Feierlichkeiten?« Yales Augen strahlten bei dem Gedanken an eine Herausforderung. Ein erwartungsvolles Lächeln lag um seinen Mund. Aye, er war dem Mann sehr ähnlich, der ihn gezeugt hatte. »Tante Miranda hat Bronwyn gesagt, dass es bei den Feierlichkeiten ein Überraschungsspiel geben würde!« Ein aufgeregtes Lächeln erhellte sein Gesicht, er zeigte Zähn^ die für seinen schmalen Schädel viel zu groß waren, und sah sich interessiert in seiner schäbigen Bleibe um.
»Das ist kein Spiel, das kann ich dir versichern«, knurrte Payton.
Yale ignorierte die Antwort. »Soll ich fliehen? Geht es darum?«
»Das wäre ein schwerer Fehler«, warnte ihn Payton, wäh rend der Junge sich hochrappelte und leicht wankend auf die Beine kam. Er zuckte zusammen und blinzelte. Payton sah, wie der Junge angestrengt nachdachte, während sein Blick über die Mauern wanderte und über das, was von dem Dach noch übrig geblieben war.
Doch er war noch lange nicht in der Verfassung, zu fliehen. Er schien noch immer zu viel benommen von dem Mittel, das man in seinen Becher geschüttet hatte. Er zuckte zurück, als die blassen Sonnenstrahlen durch ein Loch in der Wand sein Gesicht streiften.
»Habt Ihr etwas zu trinken?«, fragte Yale. »Ich habe Durst.«
»Es ist Wasser im Bach.«
»Ich habe auch Hunger.«
»Bald - wenn die anderen kommen.«
»Welche anderen?«
»Das geht dich nichts an.«
»Aber ich habe jetzt Hunger.«
Payton hatte sich nicht vorgestellt, welche Last der Junge sein konnte.
»Du wirst halt Geduld haben müssen.«
»Meine Tante sagt immer, dass ich wie mein Vater bin. Der hat auch keine Geduld.«
Kluge Frau. »Still jetzt. Ich habe zu arbeiten.«
»Was denn?« Der Junge bemühte sich noch immer, auf den Beinen zu bleiben. »Was denn für Arbeit?«
»Das geht dich ebenfalls nichts an, also setz dich hin und sei still. Wenn die anderen kommen, werden wir essen. Bis dahin wirst du warten.«
Die Augen des Jungen zogen sich misstrauisch zusammen. »Seid Ihr Räuber? Halsabschneider und so?«
»Aye, Halsabschneider«, brummte Payton.
»Dann seid Ihr also eine verdammte Bande? Bin ich ein Teil
davon?« Yale wurde munter, sein Hunger und sein Durst waren schnell vergessen bei dem Gedanken an ein Abenteuer.
»Du bist der Gefangene«, warnte ihn Payton.
»Wirklich?« Yale war beeindruckt. »Wie muss ich mich denn verhalten?«
»Wie ich schon sagte. Ruhig. Du sollst hier sitzen und warten«, schnauzte Payton ihn an, der die Fragen leid war.
»Auf was?«
»Gerettet zu werden, natürlich.«
»Verdammte Hölle, dann ist es also doch ein Spiel, und ein großartiges noch dazu!« Vor Paytons Augen verwandelte sich Yale von einem benommenen Gefangenen in einen aktiven, aufgeregten Jungen, der bereit war, ein großes Abenteuer in Angriff zu nehmen. »Und mein Vater, soll der mich retten? Und Onkel Collin und Tante Miranda - spielen die auch mit? Auch wenn sie nur eine Frau ist, so ist sie doch geschickt mit Pfeil und Bogen. Ich habe auch mal gesehen, wie sie eine Keule geschwungen hat. Ist sie auf unserer Seite?«
Paytons Gesicht lief rot an. »Aye«, sagte er. »Sie sind alle ein Teil unserer Bande.«
»Aber was ist mit Bronwyn? Sie ist ein Mädchen, und ...« Er runzelte die Nase. »Eine Heulsuse, denke ich. Sie kann kaum reiten oder eine Waffe halten. Sie ist gar nicht wie ihre Mum, aber ...«
»Das reicht!« Payton rieb sich den Nacken und hätte Devlynns Sohn am liebsten einen Kinnhaken verpasst, damit er den Mund hielt. Es war viel besser gewesen, als er bewusst-los vor ihm im Sattel gelegen hatte. Stiller.
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