Geliebte Fälscherin (German Edition)
…“
„Antoine hat recht, Claire. Du benimmst dich wie ein Kind.“
Die Tränen raubten ihr eine klare Sicht. Sie riss ihren Blick von Antoine los und schaute wieder ihren Vater an.
Seine Miene war steinern und zeigte nicht den leisesten Hauch von Reue. „Du hast gewusst, dass dieser Tag wieder kommen würde.“ Er drückte das blutgetränkte Tuch an seine Seite. „Ich bin nur froh, dass deine Maman das nicht erleben muss. Dein Egoismus hätte ihr wehgetan.“
Claire blinzelte. Ihr Egoismus? Und das kam von ihrem eigenen Vater, der kein Wort gesagt hatte, als Onkel Antoine sie geschlagen hatte?
Onkel Antoine lockerte den Griff um ihren Arm. „Die Familie ging deiner Mutter über alles, ma chère. Sie würde wollen, dass wir zusammenbleiben. Das weißt du.“
Claire schaute auf die Stelle hinab, an der er sie festhielt. Ähnlich wie sie es heute schon einmal erlebt hatte, spürte sie, dass etwas tief in ihrem Inneren nachgab. Sie zwang sich zu einem Nicken und hörte wieder, was ihre Mutter in ihrem von Schmerzmitteln begleiteten, unruhigen Schlaf immer wieder geflüstert hatte. „Sei vorsichtig, wen du liebst …“ Ob ihre Mutter das als Warnung an Claire gemeint hatte oder vielleicht als Ermahnung an sich selbst, wusste Claire nicht. Aber zum ersten Mal in ihrem Leben begriff sie, dass es möglich war, jemanden zu lieben, von dem man dachte , er würde einen auch lieben. Nur um zu erkennen, dass das nicht stimmte. Und dass es vielleicht nie gestimmt hatte. „Wohin gehen wir … Onkel?“
Onkel Antoine entspannte sich und zeigte sich erleichtert, weil sie zu Vernunft gekommen war. „Weit weg von hier, ma chère . Dein Vater und ich werden dir in Kürze folgen. Wir müssen … hier noch etwas erledigen.“ Er hob die Hand, dieses Mal langsam, und berührte ihre Wange. Es kostete Claires ganze Selbstbeherrschung, dass sie sich nicht von ihm abwandte. „Je suis désolé“, flüsterte er. „Ich habe die Beherrschung verloren. Aber nur, weil ich mir so große Sorgen um dich mache.“
Claire sagte nichts.
Schließlich deutete er mit der Hand zur Tür. „Jetzt geh und pack deine Reisetasche. Nimm nur das Nötigste mit. Jeden Augenblick wird eine Kutsche für dich da sein. Und, Claire …“ Er schaute sie von Kopf bis Fuß an.
Claire schaute auch an sich hinab und erschauderte bei dem Anblick ihres Kleides.
„Vergiss nicht, dich umzuziehen.“
Oben in ihrem Zimmer zündete Claire mit zitternden Händen eine Petroleumlampe an. Sie öffnete nervös die Knöpfe ihres Mieders und schaute auf die Uhr, die auf dem Kaminsims stand.
Ihr Blick fiel auf ihr Spiegelbild. Das Bild, das ihr entgegenschaute, brannte sich tief in ihr Gedächtnis ein. Wut, Schmerz und das Gefühl, betrogen und getäuscht worden zu sein, verdunkelten ihren Blick. Eine abgrundtiefe Müdigkeit überfiel sie.
Sie zog sich bis auf ihr Unterhemd und ihre Unterröcke aus und schrubbte sich dann die Hände und das Gesicht über der Wasserschüssel auf dem Waschtisch. Obwohl das Wasser lauwarm und die Luft stickig war, fröstelte sie. Sie wünschte, sie besäße ein zweites Trauerkleid, und suchte im Schrank nach dem dunkelsten Kleid, das sie finden konnte. Ein rostbraunes Kleid war noch das geeignetste, das sie finden konnte. Sie erstellte in Gedanken eine Liste mit den Dingen, die sie packen musste.
Wie hatte sie nur so töricht sein können? So gutgläubig. So naiv. Sie hätte es kommen sehen müssen. Von Papa erwartete sie ein solches Verhalten. Aber von Onkel Antoine? Sein Verhalten löste bei ihr einen Schmerz ganz anderer Art aus.
Und was war mit den Männern, die ihren Vater überfallen und die Kunstwerke gestohlen hatten? Was wäre, wenn sie zurückkämen? Oder wenn sie herausfänden, dass sie die Bilder gefälscht hatte? Was würden sie dann mit ihr machen?
Sie beeilte sich noch mehr und kämpfte mit den winzigen Perlknöpfen an der Vorderseite ihres Kleides, bis sie sich schließlich entschied, die obersten Knöpfe am Kragen offen zu lassen. Sie zog ein anderes Kleid aus dem Schrank, rollte es zusammen und stopfte es in die Tasche, dann schluckte sie den Ansturm von Gefühlen hinunter, die wieder in ihr aufstiegen.
Mit fahrigen Händen steckte sie eilig die restlichen Sachen aus der Kommodenschublade zusammen mit der Uhr mit dem Medaillon ihrer Mutter in ihre Handtasche. Dann drehte sie sich um, um das Bild zu nehmen.
Aber ihr Jardins de Versailles war verschwunden.
* * *
Eine Stunde später stand Claire an Deck der
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