Geliebte Fälscherin (German Edition)
Tasche. Sie wollte den Käse zurücklegen und hielt inne.
Sie hatte so großen Hunger …
Es würde noch fast zwei Tage dauern, bis sie in Nashville ankäme. Sie hatte Papa und Onkel Antoine gesagt, dass sie mehr Geld brauchte, aber sie hatten behauptet, dass sie ihr genug gegeben hätten.
Sie schaute sich um, sah aber niemanden. Sie warf einen Blick auf ihre offene Handtasche und dann wieder auf den Käse. Dann auf die voll bestückten Regale. Dem Ladenbesitzer ging es bestimmt so gut, dass er es nicht merken würde, wenn …
Schnell entschlossen legte Claire den Käse wieder ins Regal und zog die Hand zurück, als hätte sie sich die Finger verbrannt. Ich werde so etwas nicht mehr machen. Kein Betrug mehr. Kein Diebstahl mehr. Keine Lüge mehr.
„Darf es noch etwas sein, Madam?“
Claire zuckte zusammen und drehte sich um. Der Ladenbesitzer lächelte sie an, aber etwas an seinem Gesichtsausdruck verriet ihr, dass er gesehen hatte, was sie vorgehabt hatte. Sie senkte den Kopf. „Nein, danke. Das genügt.“ Mit glühendem Gesicht zählte sie die Münzen ab. Ein einziger Cent blieb ihr übrig.
Die Pfeife des Zuges ertönte. Zweimal.
Zweimal? Sie schaute aus dem Fenster und sah, wie der Schaffner die Trittleiter in den Waggon hinaufhob. Sie drehte sich um, um eilig ihre Einkäufe zu nehmen. Dabei rutschte ihre Handtasche von der Theke. Der Inhalt verteilte sich über den ganzen Fußboden.
Sie biss die Zähne zusammen, kniete nieder und hob alles eilig auf. Dann nahm sie die Stofftasche, die der Verkäufer ihr hinhielt. „Danke, Sir!“
Seine Miene blieb unverändert freundlich. „Gott sei mit Ihnen, Madam.“
Claire lief zum Zug und rief dem Schaffner zu, dass er noch warten solle. Er schaute sie mit gerunzelter Stirn streng an. Als sie eine leere Bank im letzten Wagen fand, war der Zug schon längst aus dem Bahnhof gerollt.
Sie zitterte vor Hunger und griff in den Stoffbeutel, um die Kräcker herauszuziehen.
Ihre Hand berührte etwas.
Sie traute ihren Augen kaum, als sie langsam einen Kanten Käse herauszog, der in Wachspapier eingewickelt war, dazu die Kräcker und ihr Getränk. Sie spürte, dass immer noch etwas im Beutel lag, schaute hinein und sah die Münzen, die sie bezahlt hatte.
Während ihr die Tränen in die Augen stiegen, erinnerte sie sich an die Abschiedsworte des Ladenbesitzers. „Gott sei mit Ihnen, Madam.“ Sie aß die Kräcker und den Käse bis zum letzten Krümel auf und nahm sich fest vor, diese Freundlichkeit zu erwidern. Sie wusste nicht wie oder wann, aber eines Tages würde sie einem anderen Menschen etwas Gutes tun, genauso wie dieser Mann ihr heute etwas Gutes getan hatte.
* * *
Claire lehnte den Kopf ans Fenster. Das gleichmäßige Rattern der Stahlräder auf den Gleisen wirkte beruhigend auf sie. Sie fragte sich, wie es wohl ihrem Vater ging, und wünschte sich gleichzeitig, ihre Fahrkarte könnte sie weit, weit weg von ihm und Onkel Antoine bringen, obwohl es ihr schwerfiel, ihn noch als Onkel zu bezeichnen. Sie berührte ihre Wange, als sich erneut ein Anflug von Wut in ihr regte. Mit jeder Minute, die verging, und mit der wachsenden Entfernung, die sie von den beiden trennte, wuchs auch ihre Entschlossenheit, ihnen die Stirn zu bieten und einen Neuanfang zu wagen.
Sie zog die Taschenuhr mit dem Medaillon ihrer Mutter aus der Tasche und schaute auf die Uhr. Dann berührte sie das winzige Gemälde, das das Gesicht ihrer Mutter zeigte. Sie war so hübsch. Claire hatte sich immer geschmeichelt gefühlt, wenn andere sagten, dass sie sich sehr ähnlich sähen.
Das Schaukeln des Zuges verstärkte ihre Entspannung, die von ihrem gestillten Hunger rührte, und ihr fielen die Augen zu. „Gott sei mit Ihnen, Madam.“ Sie hoffte, dass diese Bemerkung der Wahrheit entsprach. Dass Gott bei ihr war. Aber noch mehr, dass Gott wusste, wohin ihr Weg führte.
Sie wünschte, sie hätte daran gedacht, die Bibel einzupacken, aus der sie ihrer Mutter in deren letzten Tagen vorgelesen hatte und die sie im Internat bekommen hatte. Aber daran hatte sie bis jetzt überhaupt nicht gedacht. Obwohl sie sich nicht an einzelne Bibelstellen erinnern konnte, erinnerte sie sich daran, wie die Verheißungen ihre Mutter getröstet hatten. Und auch sie selbst.
Die Müdigkeit überwältigte sie. Und während sie immer tiefer in den Schlaf sank, wollte sie diesem Frieden trauen, an den sie sich erinnerte, wollte sie glauben, dass der Schöpfer des Lebens einen Plan für ihr Leben hatte.
Und als
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