Geliebte Fälscherin (German Edition)
Klebriges.
Sie schaute nach unten und hatte das Gefühl, der Raum drehe sich um sie.
Ein dunkler Fleck hatte die Vorderseite des Hemdes ihres Vaters getränkt, die gleiche Farbe, die jetzt von ihren Handflächen tropfte. Ihr wurde schwindelig. Obwohl ihr vor dem graute, was sie finden würde, zog sie den Saum seines Hemdes aus seiner Hose und entdeckte eine klaffende Wunde in seinem Unterleib. Aus dem Blutverlust zu schließen, war es eine tiefe Wunde. Oh, Papa.
„Mach die Augen auf“, flüsterte sie, während ihr das Herz bis zum Hals schlug. „ Bitte, mach die Augen auf.“
Er tat es nicht.
Sie rannte zur Kommode und schnappte sich einen Stoß frischer Poliertücher aus einer unteren Schublade, dazu den Kerzenleuchter. Sie musste Druck auf die Wunde ausüben, so viel wusste sie. Der Schein des Kerzenlichts folgte ihren Bewegungen und flackerte über die weinrot tapezierten Wände. Überall, wohin das Licht fiel, nahm der Raum einen rötlichen Schein an.
Ihr Blick fiel auf etwas. Claire erstarrte.
Sie kniff die Augen zusammen, hob den Kerzenleuchter höher und wollte sich vergewissern, dass das, was sie sah, beziehungsweise das, was sie nicht sah, die Wirklichkeit war. Und es stimmte tatsächlich.
Jedes einzelne Kunstwerk in der Galerie war verschwunden.
2
C laire erschauerte und hatte das Gefühl, sie und ihr Vater wären nicht allein. Aber außer ihnen war niemand im Raum. Sie beeilte sich, den Blutfluss zu stoppen, während tausend Fragen auf sie einstürmten. Wer hatte die Galerie ausgeraubt und ihren Vater überfallen? Wer wagte einen solchen Überfall in einer so belebten Straße? Und wo war Onkel Antoine?
Aber die Frage, die sie am meisten beunruhigte und die sie genauso wenig zum Schweigen bringen konnte wie das Pochen in ihrem Hinterkopf, war die Frage, was ihr Vater gemacht hatte. Was für ein Geschäft war schiefgelaufen, dass ihm jemand so etwas antat?
Aufgrund ihrer Erfahrungen war sie klug genug, ihn nicht für unschuldig zu halten.
Feuchtigkeit drang durch die Tücher, mit denen sie auf die Wunde drückte, und ihre Hände wurden nass. Sie wusste, dass sie Hilfe holen musste. Dass sie einen Arzt holen musste. Aber sie konnte ihren Vater nicht allein lassen.
„Claire …“ Die Augenlider ihres Vaters hoben sich zuckend.
„Ja, Papa.“ Sie schob ihre Hand in seine. „Ich bin hier.“
Er blinzelte, als hätte er Mühe, klar zu sehen.
„Was ist passiert, Papa? Wer hat dir das angetan?“
Sein Griff um ihre Hand war fester, als sie für möglich gehalten hätte. Er runzelte unsicher die Stirn. „Du bist nicht … verletzt?“
Sie schüttelte den Kopf. „Nein, Papa. Ich bin nicht verletzt.“
Die schwache Spur eines Lächelns zog über sein Gesicht. Dann versuchte er, sich aufzusetzen.
„Nein, du musst ruhig liegen bleiben“, ermahnte sie ihn. „Du darfst dich nicht bewegen. Du blutest. Du brauchst einen Arzt.“
„Was ich brauche …“ Er verzog das Gesicht, da ihm jeder Atemzug schwerfiel. „... ist, dass du von hier verschwindest. Jetzt! Es ist hier nicht sicher.“
„Ich gehe nirgendwohin, Papa. Außer um einen Arzt für dich zu holen.“
Obwohl sie versuchte, ihn daran zu hindern, richtete er sich mühsam auf. Schweiß lief über sein Gesicht. „Männer … waren hier, Claire.“ Er verzog das Gesicht und stieß ein krächzendes Lachen aus. „Männer, die mit dem Kauf eines Brissaud-Bildes nicht ganz zufrieden waren.“
Claire versuchte, den Blick in seinen Augen zu deuten. „Du meinst, sie wissen es? Sie wissen von den Fälschungen?“ Sie konnte es kaum laut aussprechen.
„Sie haben einen Verdacht.“ Er schaute sie eindringlich an. „Sie haben gefragt, wer sie gemalt hat.“
Die Luft wich aus ihrer Lunge. „W-was hast du ihnen gesagt?“
„Niemand weiß von dir. Bis jetzt.“ Er atmete aus. „Deshalb musst du verschwinden. Wenn sie zurückkommen und dich hier finden …“
Eine Bodendiele knarrte über ihnen in Claires Zimmer. Claire erstarrte. „Papa, was sollen wir …“
„Pscht!“, flüsterte er und sein Blick wurde wild. „Ich habe dir gesagt, dass es nicht …“
Schritte polterten auf der Treppe. Sie kamen näher. Schnell. Die Augen ihres Vaters wurden vor Angst groß. Sie würde ihn nie allein aus dem Haus bringen können. Und sie konnte ihn nicht zurücklassen. Sie würde ihn nicht zurücklassen. Nicht so. Egal, was er getan hatte. Sie stand auf und schaute sich nach etwas um, mit dem sie sich verteidigen könnte. Entschlossen griff
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